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Saudi Aramcos Anlauf auf die große Bühne

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Saudi Aramco-Event anlässlich des Börsegangs 2019

Saudi Aramco-Event anlässlich des Börsegangs 2019

©AFP / picturedesk.com
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Scheich und reich – das genügt nicht mehr, um bei SAUDI ARAMCO zu reüssieren. Der größten Ölkonzern der Welt finanziert die ehrgeizigen Zukunftspläne von Kronprinz Mohammed bin Salman zur Transformation der saudi-arabischen Wirtschaft. Auch die österreichische Ex-Ministerin Margarete Schramböck will diese Gelegenheit nutzen.

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Der Start war ganz nach dem Geschmack des Scheichs: Denn beim Börsengang des saudi-arabischen Ölgiganten Aramco wurden gleich zwei Rekorde gebrochen. Das Unternehmen sammelte beim seinem IPO 25,6 Milliarden US-Dollar ein – und verdrängte damit den chinesischen Onlinehändler Alibaba von der Spitze der größten Börsengänge aller Zeiten. Nach einem Kursanstieg war Saudi Aramco zeitweise das wertvollste Unternehmen der Welt, noch vor Apple. Das weltweit profitabelste mit 161 Milliarden Dollar Gewinn ist es immer noch.

Mit Rekordschlagzeilen über Superlative "Made in Saudi-Arabia" kommt Kronprinz Mohammed bin Salman seinem Ziel näher, das Land ins Zentrum wirtschaftlicher und politischer Landkarten zu rücken. Sein Vehikel dafür ist der saudische Staatsfonds "Public Investment Fonds", kurz PIF, stolze 778 Milliarden Dollar schwer. Er soll, geht es nach der "Vision 2030" des Kronprinzen, der größte Staatsfonds der Welt werden, gespeist aus den unermüdlich sprudelnden Dollarmilliarden von Saudi Aramco, dem größten Erdölförderer der Welt.

Doch Geld alleine macht noch keinen Fortschritt, es braucht auch offenere Strukturen, die diesen Fortschritt zulassen – bisher die größte Hürde für die Entwicklung des Landes. Dass sich das – in Teilen –gerade ändert, zeigt exemplarisch etwa der neue Job von Ex-Wirtschaftsministerin Margarethe Schramböck in dem Golfstaat. Eine Frau im Board einer Aramco-Tochtergesellschaft wäre vor noch Kurzem nicht denkbar gewesen. Und eine Frau aus Europa, die nicht mit dem Koran groß geworden ist, schon gar nicht.

Schramböck, die sich in Projekte der Hightech-Firma Aramaco Digital einbringen soll, ist entsprechend begeistert von dem Land: "Es war für mich eine große Überraschung, diese Freiheit dort zu genießen" (siehe Interview). Sie schaut sich bereits nach eine Wohnung in der Hauptstadt Riad um.

Kulturrevolution

"Saudi-Arabien hat sich in den vergangenen zwei, drei Jahren massiv verändert", beobachtet auch Michael Plechaty, der als Experte und Berater der Ölindustrie seit vielen Jahren in den Golfstaaten unterwegs ist: "Kulturell und gesellschaftlich haben die mehrere Rollen vorwärts gemacht." Eine Studie der Investmentbank Morgan Stanley sagt, dass zwei Drittel der berufstätigen Frauen in Saudi-Arabien ihren Job in den vergangenen zwei Jahre angetreten haben.

Hintergrund der Liberalisierungen ist der Brain Drain bei jungen, gut ausgebildeten Saudis. "Das Land musste für diese als Heimatland wieder attraktiver werden", sagt Plechaty, "bin Salman ist das bereits gelungen." Viele jüngere blieben nach Studien an den Eliteuniversitäten dieser Welt lieber in den USA, England oder der Schweiz, statt sich als Teil der saudischen Gesellschaft ständig für die Diskriminierung von Frauen und öffentliche Hinrichtungen rechtfertigen zu müssen.

Vor allem der Skandal um den im saudischen Konsulat in Istanbul ermordeten Regimekritiker Jamal Khashoggi erregte weltweit Entrüstung. Denn Mohammed bin Salman selbst geriet in Verdacht, den Mordbefehl gegeben zu haben. Statt eines eloquenten Mitgliedes elitärer Entscheider-Meetings wird der Kronprinz zum geächeteten Outlaw. Seine Antwort: eine Imagekorrektur, koste es, was es wolle.

Die Menschrechtslage ist immer noch eine sehr bedenkliche. Aber die Kursänderung nach dem Khashoggi-Eklat bewirkt, dass in westlichen Wirtschaftskreisen darüber noch weniger gesprochen wird. Die enormen Chancen in dem Wachstumsmarkt sind zu verlockend.

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Internationalen Staatsbesuche im Hause bin Salman: US-Präsident Joe Biden (l.), Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz (Mitte), Frankreichs Präsident Macron (r.)

© Getty Images

Abhängig vom Ölpreis

Das notwendige Geld für die Transformation muss aus dem Ölbusiness kommen: von Saudi Aramco. Und es kommt: Im zweiten Quartal dieses Jahres hat der Konzern, der zu 90 Prozent im Staatsbesitz steht, immerhin einen Gewinn von 30 Milliarden US-Dollar erzielt, wenn auch um ein Drittel weniger als Vergleichsquartal 2022. Da hatte der russische Angriffskrieg auf die Ukraine den Ölpreis auf Höchststände getrieben – und Saudi Aramco einen Umsatz von 604 Milliarden Dollar und eine Umsatzrendite von knapp 27 Prozent beschert.

Saudi Aramco ist straff organisiert und extrem optimiert.

Michael PlechatyExperte und Berater der Ölindustrie

Der Konzern, in dem 70.000 Mitarbeiter täglich mehr als 1,1 Milliarden Liter Rohöl fördern, ist naturgemäß stark vom Weltmarktpreis abhängig. Ist der niedrig, verdient der Konzern gut, ist er hoch, verdient er gigantisch. Gleiches gilt für die Kassen des Königshauses. Bin Salmans ehrgeizige Vision eines vom Erdöl weniger abhängigen und weltweit anerkannten Saudi-Arabiens, das den Sprung von mittelalterlichen Strukturen in die Zukunft geschafft hat, erfordert enorme Investitionen in neue Industrien und Dienstleistungen. Das erhöht auch die Anforderungen an die Chefetagen von Saudi Aramaco, wo die Basis dafür erwirtschaftet wird. Nur Scheich und reich – das genügt dort nicht mehr für eine Karriere. "Der Konzern ist straff organisiert und optimiert", bestätigt Experte Plechaty.

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Ölgigant. Die 70.000 Beschäftigten von Saudi Aramco fördern täglich mehr als 1,1 Milliarden Liter Öl -mehr als alle anderen.

© Aramco

Einkaufstour

Die Klimadiskussion geht ebenfalls nicht spurlos an den Saudis vorbei. Die Regierung hat sich zu einer "operationalen Klimaneutralität" bis 2050 verpflichtet. Um Kurs zu halten, will Aramco-Chef Amin Nasser alleine heuer 55 Milliarden Dollar in kohlenstoffärmere Produktionsprozesse investieren. Im Fokus stehen auch Themen wie Abscheidung und Speicherung von CO2 sowie die Herstellung von Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen.

Ähnlich wie OMV-CEO Alfred Stern will Nasser die Wertschöpfungskette weiter nach oben klettern: nicht mehr nur Rohstoff liefern, sondern selbst hochwertigere Chemieprodukte herstellen. Bereits vor zehn Jahren wurde mit dem US-Konzern Dow Chemical als Partner am Hafen al-Dschubail eine petrochemische Produktion hochgezogen. Auch Industriezonen etwa für Automotive und Logistik werden gerade hochgezogen. Aramco Digital, wo Margarete Schramböck andockte, soll die saudische Wirtschaft weiter digitalisieren und eigene IT-Entwicklungen weltweit vermarkten.

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Der saudi-arabische Staatsfonds PIF (Public Investment Fund) ist weltweit einer der größten Investoren (rund 778 Milliarden US-Dollar). Gehalten werden u.a. große Beteiligungen an Uber und Nintendo.

© Imago, Getty Images

Ob mit Barrel oder Bytes verdient: Am Ende landen die Gewinne im Staatsfonds PIF von Mohammed bin Salman, um dessen "Vision 2030" umzusetzen. Dazu gehören Megaprojekte im Inland wie die künstliche Zukunftsstadt Neom. Auf einer Fläche der Größe Albaniens soll dort für 500 Milliarden US-Dollar eine klimaneutrale Musterstadt entstehen.

Außerdem gehen bin Salmans Manager weltweit auf Shoppingtour: PIF ist u. a. größter ausländischer Aktionär bei Nintendo und Uber. Vor drei Monaten wurde das deutsche Funkinfrastrukturunternehmen Vantage Towers übernommen: für das 23-Fache des operativen Gewinns, ein Fantasiepreis. Eine von vielen Übernahmen in Europa.

Wichtiger als Rendite ist dem Kronprinz die Anerkennung. Und die kommt trotz Menschenrechtsverletzungen. Cash macht fesch, nicht nur beim Dating. Bin Salman ist zurück auf der internationalen Bühne und Gesprächspartner westlicher Regierungchefs von US-Präsident Joe Biden bis zum deutschen Kanzler Olaf Scholz. Jüngstes Erfolgserlebnis: Aramco-Boss Nasser wurde in den Verwaltungsrat von Blackrock berufen, dem weltweit größten Vermögensverwalter.

Der Artikel ist in der trend. PREMIUM Ausgabe vom 08.09. 2023 erschienen.

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