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Maschinenbauer Starlinger setzt auf Indien

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Starlinger-CEO Angelika Huemer

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Nach einem Rekordjahr bekommt der Wiener Maschinenbauer nun einen Dämpfer. Die Langzeitchefin Angelika Huemer will mit einem ersten Werk in Indien neue Dynamik entfachen.

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Angelika Huemer ist in ihrem Job als geschäftsführende Gesellschafterin von Starlinger um die ganze Welt gereist. In 130 Länder werden die Spezialanlagen verkauft – und viele davon hat die Langzeitchefin im Laufe ihrer Karriere besucht. Österreich als Absatzmarkt spielt für das Familienunternehmen, das hierzulande zwei große Werke betreibt, hingegen fast keine Rolle. Einzige Ausnahme: Vor rund zehn Jahren gab es gleich zwei Großaufträge, wodurch die Exportquote vorübergehend unter die sonst üblichen 99 Prozent rutschte. Der Vorarlberger Verpackungskonzern Alpla, der damals eine große Recyclingmaschine bestellte, ist noch heute ein wichtiger Kunde. Aber auch er baut mittlerweile lieber Werke fernab der Heimat in Mexiko.

„Auslandsreisen sind sehr wichtig für uns als international ausgerichteter Maschinenbauer. Mittlerweile schicke ich aber überwiegend meine beiden Söhne, die schon seit vielen Jahren im Unternehmen tätig sind, an meiner Stelle los“, sagt Huemer, die fünf Kinder hat. Während Gabriel, ihr Ältester, häufig in der Türkei unterwegs ist, flog ihr jüngerer Sohn Leander kürzlich zur Firmeneröffnung eines Kunden nach Tadschikistan. Präsident Emomali Rahmon war höchstpersönlich vor Ort, der lokale Fernsehsender berichtete ausführlich. „Die ehemaligen Sowjetrepubliken kaufen eigentlich sehr gerne in Europa und speziell in Österreich ein. Aber aufgrund der wirtschaftlichen Situation in Europa und der geopolitischen Unsicherheiten wird das immer schwieriger“, konstatiert Huemer.

Herausforderndes Jahr

Das sind ungewöhnliche Worte für das erfolgsverwöhnte Wiener Familienunternehmen, dessen Stärke darin besteht, dass es durch seine weltweiten Kundenbeziehungen Rezessionen in einer Region durch einen Aufschwung in einer anderen kompensieren kann. Selbst im ersten Rezessionsjahr in Österreich eilte Starlinger zum nächsten Umsatzrekord und knackte 2023/24 fast die 400-Millionen-Euro-Marke. Davon wird man sich nun ein Stück weit verabschieden müssen. Für das Ende Jänner endende Geschäftsjahr wird ein Rückgang zwischen zehn und fünfzehn Prozent erwartet. Und auch für heuer ist Huemer eher zurückhaltend: „Vor uns liegt ein herausforderndes Jahr“, sagt die 61-Jährige. „Die größten Sorgen bereiten mir die sinkende Wettbewerbsfähigkeit, die ausufernde Bürokratie und die zunehmende Bedeutung der Work-Life-Balance.“

Wie prekär sich die Lage für die Branche insgesamt darstellt, zeigt ein Blick nach Deutschland. Dort rechnen Restrukturierungsberater damit, dass der Maschinenbau als eine von vier Branchen heuer besonders von Insolvenzen betroffen sein wird. Dass Starlinger sich davon entkoppeln kann und „zufriedenstellend“ unterwegs ist, liegt unter anderem an der Spezialisierung. Mehr als die Hälfte des Umsatzes erwirtschaftet man mittlerweile mit Recyclinganlagen für diverse Kunststoffabfälle und PET-Flaschen. Die zweite Hälfte steuert das Geschäft mit lohnintensiven Anlagen zur Herstellung gewebter Kunststoffsäcke bei, die vor allem außerhalb Europas für Schüttgüter, Futtermittel, aber auch Gemüse verwendet werden. Auf diesem Gebiet ist Starlinger Weltmarktführer.

Internationalisierung

Um auch künftig im Wettbewerb bestehen zu können, setzt Starlinger nun weitere Schritte in Sachen Internationalisierung. Im Wachstumsmarkt Indien ist man derzeit dabei, eine erste Produktionsstätte hochzuziehen. Bis dato gab es außerhalb Europas nur ein Werk in China. Indien ist für Starlinger bekanntes Terrain, wenngleich die Erfahrungen dort nicht gerade berauschend waren. Der ehemalige Joint-Venture-Partner stieg dort auch durch unfaire lokale Regelungen zum größten Konkurrenten auf. Mit dem neuen Werk greift man nun direkt an. „Indien ist allein durch seine Größe ein zu wichtiger Markt, den wir nicht unserem größten Konkurrenten überlassen wollen“, sagt die Chefin. In Betrieb gehen soll das neue Werk im Laufe des Jahres, um dann Anlagen für die Herstellung von Kunststoffsäcken zu fertigen. Die Recyclingmaschinen für PET-Flaschen, die in Indien auch aufgrund neuer regulatorischer Vorgaben regelrecht boomen, will man weiterhin aus Europa liefern.

Starlinger produziert aktuell in Nieder-und Oberösterreich, darüber hinaus in Deutschland und an einem assoziierten Standort in Ungarn. „Österreich ist vor allem in den letzten drei Jahren ein teures Pflaster geworden, da muss man sich einfach immer mehr überlegen, wo man produziert. Die Werke, die wir in China und demnächst in Indien haben, sind wichtige Pfeiler dafür, das wir unsere europäischen Standorte bewahren können“, sagt Huemer.

Den USA gedenkt sie – anders als etliche Industriebetriebe – künftig keine neue Rolle zu. In South Carolina hat Starlinger seit vielen Jahren eine Niederlassung, eine eigene Fertigung ist nicht angedacht. Auch unter Donald Trump als neuem Präsidenten will man den Export aus Europa beibehalten. „In der Vergangenheit war der Maschinenbau in der Regel von Zöllen ausgenommen, weil man die heimische Wirtschaft nicht schädigen wollte. Diese rationale Denkweise wird hoffentlich weiterhin bestehen, und wir wollen uns nicht schon im Vorfeld vor Trump fürchten“, sagt Huemer. Ihre Haltung hängt auch damit zusammen, dass das US-Geschäft von Starlinger nicht „so groß“ ist. Zudem gibt es in den USA keinen lokalen Hersteller im Bereich der Recyclingmaschinen, den man durch Zölle schützen kann.

Stillstand in „Bernstein“

Was ihr deutlich mehr Sorgen bereitet, ist der wirtschaftliche Bedeutungsverlust Europas. In ihrer Branche würden viele große Messen mittlerweile außerhalb Europas stattfinden. In Deutschland gäbe es zwar noch wichtige Leistungsschauen, aber wenn dann die Infrastruktur nicht funktioniere, sei das mehr als peinlich. Ihre Kunden bekämen oft kaum ein Visum, oder Anträge würden erst bearbeitet, wenn der Termin bereits vorbei sei. Und was ihr das Investment in Indien gezeigt habe: Dort sei es innerhalb eines Jahres möglich, ein neues Werk zu errichten.

In Österreich bekomme man in der Zeit nicht mal eine Baugenehmigung – selbst nicht für herausragende Projekte wie das in Berndorf an der Grenze zu Pottenstein, wo Starlinger die mit 50 Millionen Euro größte Investition seit Jahren plant. Dabei könnte die Gemeinde nach der Absiedelung des Autozulieferers Schaeffler neue Arbeitsplätze durchaus gebrauchen. Und die Pläne für das neue Technologiezentrum sehen bis zu 400 neue Jobs vor. „Wir haben Anfang vergangenen Jahres eingereicht, jetzt sind die Behörden am Zug. Es ist auch aufgrund eines Hochwasserthemas äußerst kompliziert und aufwendig“, sagt Huemer. Prinzipiell sei das Projekt noch aufrecht. Aber man werde jetzt natürlich auch schauen, wie es politisch und wirtschaftlich in Österreich weitergehe, erklärt die Chefin. Ein klares Bekenntnis zu „Bernstein“, wie das Projekt intern heißt, hört sich anders an.

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