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Der etwas andere Swarovski-Konzern

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Das Verkehrstechnikunternehmen SWARCO gehört der Familie von Manfred Swarovski. Seit dessen Tod treiben CEO Michael Schuch und Aufsichtsratschef Günther Apfalter die Expansion weiter. Im Unterschied zur großen Schwester purzeln bei Swarco regelmäßig Rekorde.

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Der für seine Schmuckkreationen weltweit bekannt Kristallkonzern Swarovski machte in den letzten Jahren regelmäßig mit Familienstreitigkeiten, Umsatzrückgängen und Personalabbau am Stammsitz im Tiroler Wattens von sich reden. Für 2023 sind erstmals seit Jahren wieder schwarze Zahlen angekündigt.

Im Windschatten der berühmten Schwester eilt eine der Swarovski-Gesellschafterfamilien mit ihrem eigenen Unternehmen von einem Rekord zum nächsten, und das relativ unbemerkt. Die ebenfalls in Wattens beheimatete Swarco AG, die Produkte für Verkehrssicherheit und Verkehrsmanagement herstellt, steigerte ihren Umsatz 2023 auf 1,2 Milliarden Euro. Der Gewinn nach Steuern liegt bei über 50 Millionen.

Auf den ersten Blick hat das Geschäft von Swarco nichts mit dem zu tun, wofür die Marke Swarovski steht – auf den zweiten schon. Ende der 1960er-Jahre dachten die Eigentümer darüber nach, in die Herstellung winziger Glasperlen als Lichtreflektoren für Bodenmarkierungen einzusteigen. Weil man das als unpassend fürs Markenimage erachtete, wurde die Idee allerdings verworfen. Woraufhin der damals noch keine 30 Jahre alte Manfred Swarovski, einer der zehn Urenkel des Firmengründers, 1969 dafür ein eigenständiges Unternehmen startete.

Fahrbahnmarkierungen sind noch heute ein Kerngeschäft. Die Glasperlen dafür werden u. a. in Neufurth bei Amstetten erzeugt. Mittlerweile ist Swarco aber längst selbst ein Konzern – mit über 80 Tochtergesellschaften in 25 Ländern und einem sehr diversifizierten Portfolio von Verkehrsschildern samt Brücken, LED-Straßenbeleuchtung, Schranken und Bezahlautomaten für Parkgaragen bis hin zu E-Ladestationen, intelligenten Ampeln, Softwareplattformen für die Verkehrsleitung oder Lösungen für vernetztes Fahren. Kürzlich erhielt man etwa einen Auftrag zur Digitalisierung deutscher Autobahnen.

Die Zäsur

Im Jahr 2018 starb Manfred Swarovski, der bis dahin alle Fäden fest in der Hand hielt. Eine tiefgreifende Zäsur. Man entschied, als reiner Familienbetrieb weiterzumachen. Die Mehrheit an Swarco hält – neben einer Privatstiftung – die MS Management GmbH. Dort sind die Witwe Elisabeth Swarovski, ihr Sohn Manfred Otto sowie die beiden Söhne aus der ersten Ehe des Patriarchen, Alexander und Philipp Swarovski, zu je 25 Prozent beteiligt. Elisabeth S. hält darüber hinaus noch 0,1 Prozent direkt und hat damit letztlich das Sagen.

Der gelernte Techniker Michael Schuch wurde zum CEO ernannt. Mit Günther Apfalter, bis vor einem halben Jahr Boss von Magna Europe, kam 2019 ein neuer, prominenter Aufsichtsratsvorsitzender an Bord. Der, wie er erzählt, davor keinerlei Kontakt zur Familie hatte, sondern von Egon Zehnder, dem mit der Suche beauftragten Headhunter, angesprochen wurde. Apfalter, den schon bei Magna die Zukunft der Mobilität beschäftigte, sieht sich als „durchaus aktiver“ Aufsichtsrat, der fallweise auch gemeinsame Dienstreisen mit dem Vorstand unternimmt. In der „Pension“ sei die Funktion bei Swarco, die er neben anderen Mandaten ausübt, aktuell „die dominierende Aufgabe, die am meisten Spaß macht“.

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Zusammen mit der Familie vereinbarten Topmanager Schuch und der Aufsichtsrat beim Neustart vor fünf Jahren Wachstumsziele – die auch erreicht wurden. Der Umsatz stieg seither um 60 Prozent. Apfalter: „Damals hatten wir 750 Millionen.“

Zwei Drittel des Wachstums waren anorganisch. „Allein 2021 haben wir sieben Akquisitionen getätigt, darunter die größte in der Firmengeschichte“, berichtet Michael Schuch: „Hohe Aufwendungen für die Integration führten kurzfristig zu geringeren Margen. Aber 2023 verzeichneten wir schon wieder ein Rekordergebnis.“ Durch die Übernahme der niederländischen Dynniq Mobility stieg der Mitarbeiterstand um 1.100 auf 5.300 Personen.

Aufmerksam auf Indien

Der Fokus liegt auch künftig auf Expansion. Schuch: „Wir erweitern die Produktion von Glasperlen und Fahrbahnmarkierungen in den USA, weil dort das Prinzip ‚Buy America‘ noch größeres Gewicht bekommen hat. Außerdem haben wir ein Augenmerk auf Indien. Dort werden pro Tag 30 Kilometer Schnellstraßen und Autobahnen gebaut. Derzeit prüfen wir die Optionen für ein Werk vor Ort.“

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Der SWARCO Vorstand mit CFO Günter Kitzmüller, CEO Michael Schuch (i.B. Mitte) und CAO Günther Köfler. Das Jahr 2023 wurde mit einem Rekordgewinn belohnt. Beigetragen dazu haben auch die sieben Unternehmen, die im Vorjahr gekauft wurden.

 © Swarco AG/Neumann

Auch die zweite Säule von Swarco namens Intelligente Transportsysteme (ITS) soll neue Länder erobern. Chancen bietet der weltweite Trend zur Urbanisierung, der zu höheren Anforderungen an das Verkehrsmanagement führt. Ampeln, die durch Machine Learning mittels KI die Grünphasen an Kreuzungen optimieren, oder automatisierte Systeme, die bei der Parkplatzsuche unterstützen, sind nur zwei Beispiele aus dem Portfolio von Swarco.

Wie schon bei der Fußball-WM 2022 in Katar setzen auch die Olympischen Spiele diesen Sommer in Paris auf Swarco. Die Verkehrsleitzentrale wurde auf die Software-Plattform der Tiroler umgerüstet. „Die digitale Vernetzung der Mobilität ist aber nicht nur ein Treiber für das IST-Segment, sondern auch für das angestammte Kerngeschäft. Denn hochqualitative Markierungen sind eine Grundvoraussetzung für autonomes Fahren“, erklärt Schuch.

Rute ins Fenster

Weniger optimistisch ist der CEO in Bezug auf die Industriepolitik in Europa. Er beklagt die schwindende Wettbewerbsfähigkeit aufgrund inkonsistenter Regulierung: „Durch die CO2 -Bepreisung fallen bei uns bis 2030 Mehrkosten von 5,1 Millionen Euro pro Jahr an. Die gesamte Zusatzbelastung könnte dann über zehn Prozent des Jahresumsatzes betragen. Gleichzeitig kommen große Mengen russischer und chinesischer Glasperlen nach Europa. Die dürfen derzeit ohne CO2-Ausgleich an der Grenze importiert werden. Und bei Ausschreibungen der öffentlichen Auftraggeber gilt meist das Billigstbieterprinzip – ohne Sensibilität für europäische Hersteller.“

Schuch stellt der Politik schon einmal die Rute ins Fenster: „Wenn sich diese Rahmenbedingungen nicht ändern und zum Beispiel keine Nachhaltigkeitskriterien in den Ausschreibungen Berücksichtigung finden, werden wir künftig Investitionsentscheidungen überdenken müssen.“

Dem Wirtschaftsstandort wäre das ebenso wenig zuträglich wie die Kalamitäten der letzten Jahre bei Swarovski Kristall. An deren Führung übte Manfred Swarovski zu Lebzeiten immer wieder Kritik. Er zählte zum „Stamm Fritz“, einer der drei nach den Söhnen des Urvaters Daniel Swarovski benannten Hauptlinien der Dynastie. Auch sein Sohn Alexander und etliche nahe Verwandte – allesamt Gesellschafter des Kristallkonzerns – drückten ebenfalls Unmut über so manche Strukturentscheidung des von anderen Mitgliedern der verzweigten Familie besetzten Managements aus.

Seit Kurzem ist dort nun ein erstmals ein externer CEO am Werk. Reibereien gibt es immer noch. Zumindest in der Öffentlichkeit beteiligt sich die Familie von Manfred Swarovski daran aber kaum mehr. Sie macht ihr eigenes Ding und verfolgt bei Swarco eine langfristige Strategie – die offenbar aufgeht.

Der Artikel ist aus trend.PREMIUM vom 8. März 2024.
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