Christoph Weber, Managementberatungi Horváth Österreich
©Klaus RangerNach Jahren ungebremsten Wachstums muss die Bauindustrie den Gürtel enger schnallen. Die aktuelle Auftragsflaute im privaten Wohn- und Hausbau ist die Folge von Zinsanstieg, Kreditbremse und hohen Preissteigerungen bei Logistik, Material, Energie und Personal. Doch jetzt rächt sich bitter, dass die von Experten seit langem geforderte Transformation der Branche aufgrund des Baubooms vernachlässigt wurde.
Die jüngsten Schlagzeilen verheißen nichts Gutes. Die Nachfrage nach Wohnungseigentum ist massiv eingebrochen, Immobilienentwickler bekommen die Krise ebenso zu spüren wie Planer und Berater. Und die Wirtschaftskammer warnt: Die Baubranche steht vor einem Einbruch, Häuselbauer brechen weg, Banken verbuchen ein Rekordminus bei der Vergabe neuer Kredite. Die Alarmstimmung geht soweit, dass erste Hilferufe ertönen, die Politik möge einschreiten.
Wachstumsschub am Ende
Während die Coronaphase erfreulich hohe zusätzliche Wachstumseffekte für Bau und Möbelhandel brachte, fällt der Wegfall vieler bereits geplanter Bauprojekte und Vorhaben nun doppelt ins Gewicht. Die allgemeine Verunsicherung durch die hohen Kreditzinsen und explodierenden Energie- und Materialkosten wiegt schwer. Durch die Bank negativ sind denn auch die Aussichten der Topmanager im Baugewerbe für die nächste Zeit.
Laut einer aktuellen Studie der Managementberatung Horváth wird das Umsatzwachstum auf dem Bau für 2023 nur noch vier Prozent ausmachen - halb so viel wie der prognostizierte Wachstumsdurchschnitt über alle Branchen (8,1 Prozent). Preissteigerungen bei Material und Personal stellen für die Mehrheit der Unternehmen (70 Prozent) ein großes oder sehr großes Problem dar. Auch für das Jahr 2024 sind die Unternehmen nur wenig optimistisch.
Selbst bei einer Umsatzsteigerung von prognostizierten 5,5 Prozent im nächsten Jahr wird es – inflationsbereinigt – kein reales Wachstum mehr geben, sind Experten überzeugt. Zudem hängt die Geschäftsentwicklung vom Investitionsklima ab, das nicht nur von der reinen Zins- und Preisentwicklung beeinflusst wird, sondern auch von psychologischen Faktoren, wie der Sorge um fallende Immobilienpreise oder der Verunsicherung durch die Diskussion um verschärfte Energiepläne.
Liquiditätssicherung vordringlich
Viele Bauherren verhalten sich derzeit abwartend, verschieben Investitionen oder stellen sie ganz in Frage - was wiederum andere Marktteilnehmer verunsichert: In gewisser Weise eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die Sicherung der Liquidität bei Bauunternehmen an erster Stelle der Management-Prioritäten steht. 70 Prozent der Befragten messen dem Thema eine sehr hohe Bedeutung zu.
Zum Vergleich: In anderen Industriebereichen steht das Thema Liquidität aktuell nur auf Platz sechs das Management-Agenda. Entsprechend wichtig wird im Bau auch die Optimierung von Kosten- und Profitstrukturen bewertet, die jeder zweite Befragte als "sehr wichtig" ansieht. Das ist auch kein Wunder – gerade bei der digitalen Transformation von Strukturen und Prozessen war die Baubranche bisher ziemlich resistent gegenüber Neuerungen, die über die reine Anpassung bei Software-Updates hinaus ging. In nahezu allen Belangen hinkt die Innovationsbereitschaft der Bauwirtschaft anderen Industriebereichen hinterher.
Kaum Spielraum für Transformation
Und auch jetzt wieder gibt es eine Begründung, den dringend notwendigen Umbau zu verzögern. Die zurückgehende Profitabilität hält die Branche von wichtigen und dringenden Transformationsvorhaben in den Lieferketten, Lager- und Logistikprozessen ab, zeigt die Befragung von Topmanagern am Bau. So sind Strategien und Innovationen im Kontext nachhaltiger Materialien auf der To-do-Liste nach unten gerückt, ebenso wie Digitalisierungsprojekte.
Einzig der Nachhaltigkeitsaspekt rückt stärker in den Fokus: Einsparungen durch Kreislaufwirtschaft und Energieeffizienz haben schließlich spürbare Auswirkungen auf die Kosten. Aktuell reicht es den Unternehmen, auf Ressourceneinsparung zu setzen. Das ist in dieser Lage verständlich und dient der Nachhaltigkeit, längerfristig kommen die Firmen aber nicht daran vorbei, die digitale Vernetzung ihrer Organisation voranzutreiben bzw. strategisch neu aufzustellen.
Herausforderungen wachsen
Auch wenn der durch Einsparungen gewonnene Spielraum wieder in die Bewältigung neuer Herausforderungen reinvestiert wird, so zeigt das Branchenradar klar auf, dass der Innovationsdruck beständig steigt. Allein die Abwehr von Diebstahl und Material- Missmanagement am Bau kostet jedes größere Bauunternehmen Millionen pro Jahr. Hinzu kommt, dass bereits jede fünfte Baufirma schon einmal Opfer einer Cyberattacke mit schweren Folgeschäden war.
Zudem verteuern sich die Personalkosten. Von mindestens sechs Prozent plus gehen die Befragten für 2023 aus. Und vier von fünf Managern spüren selbst in dieser mauen Auftragslage den Arbeitskräftemangel stark. Höhere Löhne allein werden da nicht ausreichen, um die nötigen Fachkräfte zu gewinnen und zu binden. Auch im Handwerk und Gewerbe wachsen die Ansprüche an flexiblere Arbeitsbedingungen – und diese Umstrukturierung kostet.
Fazit: Viel zu lange hat sich die Bauindustrie auf vollen Auftragsbüchern ausgeruht. Bei der in anderen Branchen laufenden digitalen Transformation ist das Baugewerbe hoffnungslos in Verzug. Die aktuelle Auftragsflaute ist daher ein Weckruf, mit der Digitalisierung überholter Strukturen und Prozesse zu beginnen. Für Alarmstimmung ist da kein Platz, das Potenzial ist laut Fachleuten groß und kann in den nächsten Jahren gehoben werden.
Für die Branchenbefragung "Building & Construction Outlook 2023" wurde eine repräsentative Auswahl an Vorstandsmitgliedern aus Unternehmen der DACH-Region aus dem Baugewerbe befragt.
Die Serie "Management Commentary" ist eine Kooperation von trend.at und der Managementberatung Horváth. Die bisher erschienen Beiträge finden Sie zusammengefasst im Thema "Management Commentary".