Verbund-CEO Michael Strugl
©Verbund AG / Christian JungwirthMICHAEL STRUGL, Chef von Österreichs Stromriesen Verbund, im trend. Interview über ein ganzes Bündel fehlender Energiegesetze, zu niedrige Netzgebühren und Gewinnabschöpfung durch die Regierung.
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Beobachtet man die Konzernaktivitäten bei Verbund, macht es offenbar derzeit mehr Spaß, drei komplette Windparks in Spanien zu kaufen, als ein einziges Windrad in der Steiermark durchzubringen?
Nein, das kann man so nicht sagen. Nach wie vor tätigen wir mehr als drei Viertel unserer Investitionen in Österreich. Unser Hauptfokus sind dabei Stromnetze.
Der zweite große Brocken sind Speicher und Wasserkraft. In Salzburg und Kärnten investieren wir zur Zeit gerade rund 700 Millionen Euro in den Ausbau der beiden Kavernenkraftwerke in den Kraftwerksgruppen Kaprun und Malta Reißeck.
In Summe entstehen da rund 550 Megawatt Speicherleistung, also grüne Batterien für die Energiewende. Gemeinsam mit der Salzburg AG bauen wir das 14-MW-Kraftwerk Stegenwald, bei den Donaukraftwerken setzen wir auf große Effizienzsteigerungen durch Maschinentausch.
Heißt das, alles im grünen Bereich hierzulande?
Das heißt, wir sind bereit, massiv in den Ausbau der Erneuerbaren und in Versorgungssicherheit zu investieren. In Kraftwerke, in Erzeugungsanlagen, in Netze, in Speicher. Wir sind bis jetzt davon ausgegangen, bis 2030 ungefähr 3,5 bis vier Milliarden Euro in unsere Übertragungsnetze zu investieren. Mittlerweile wissen wir, dass wir bis spätestens 2033 über neun Milliarden investieren werden, mehr als das Doppelte.
Wenn Sie bereit dafür sind, wer ist es dann nicht?
Die Herausforderungen sind gewaltig. Um das Ziel der Verdoppelung der erneuerbaren Stromerzeugung in Österreich zu schaffen, müssen wir die installierte Leistung verdreifachen. Für zusätzliche Erzeugungsanlagen brauchen wir aber auch zusätzliche Flächen, die offiziell dafür ausgewiesen werden. Das ist eine Sache der Bundesländer und betrifft Windräder, PV-Anlagen und Trassen für Stromleitungen. Das Zweite sind die Genehmigungsverfahren, die nach wie vor zu lange dauern und immer wieder gestoppt werden, z. B. die Leitung Reschenpass. In dem forstrechtlichen Verfahren genügte ein Grundbesitzer, um alles zu stoppen. Auch die neue Anspeisung der Voestalpine in Linz wurde eben von drei Einsprüchen gegen einen einzigen Strommast blockiert. Aber wenn man den Erneuerbarenausbau wirklich vorantreiben will, muss man ihm auch ein übergeordnetes Interesse in den einschlägigen Gesetzen einräumen.
Ist das in Österreich nicht längst schon passiert?
Nein. All diese Priorisierungen, von denen man viel hört, sind Ideen aus der EU, aber in Österreich nirgendwo festgeschrieben. Es gibt eine UVP-Gesetznovelle, die sehr gute Ansätze enthält. Aber just dieses überragende öffentliche Interesse wurde nicht gewährt. Es fehlt ein "Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz", da gibt es nicht einmal einen Begutachtungsentwurf.
Nur politische Strategien zu haben, das reicht halt nicht. Wenn sie als Investor nicht wissen, ob sie eine faire Chance auf Genehmigung ihrer Projekte haben, dann entwickeln sie schlicht keines.
Vielleicht tut sich die Klimaministerin aus ihrer Vergangenheit in Umweltschutzgruppierungen ein bisschen schwer mit der Umsetzung?
Mir ist schon bewusst, dass da ein Spannungsfeld zum Naturschutz ist. Aber die Abwägung muss ohnedies sorgsam sein. Man wird sich entscheiden müssen.
Kann das neu geplante Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ELWG) an der Stagnation etwas ändern?
Das ELWG wäre eigentlich das zentrale energiewirtschaftliche Gesetzeswerk, damit diese Transformation des Stromsystems in Österreich gelingt. Der Begutachtungsentwurf liegt noch nicht vor, also kann man noch wenig dazu sagen. (Anm. Das Interview wurde im Dezember 2023 geführt. Mittlerweile liegt der Begutachtungsentwurf vor.) Wir müssen uns jedenfalls überlegen, wie wir die Erneuerbaren in das System integrieren, wie wir mit der schwankenden Erzeugung umgehen, etwa um die Abregelung von Anlagen zu minimieren. Flexibilität und Speicher sind zentrale Elemente der Energietransformation, hier braucht es klare Regelungen und Anreize. Das sollte eigentlich alles in diesem Gesetz stehen.
Die E-Control legt die Stromnetztarife fest und musste sich dabei bis jetzt gesetzlich fixiert am Grundsatz der absoluten Sparsamkeit orientieren ...
Ja, das müsste man überdenken. Man sollte die Stromnetze auch vorausschauend bauen und finanzieren dürfen, was kurzfristig nicht automatisch das Billigste ist. Der Regulator jedoch hat über Jahrzehnte auf Kosteneffizienz hin reguliert. Das hat dazu geführt, dass der Netzausbau nicht so vorangetrieben wurde, wie es vielleicht gut gewesen wäre. Denn was wir beim Netzausbau sparen, zahlen wir bei den Kosten für die dann zwingenden Netzeingriffe doppelt zurück. Das waren im letzten Jahr fast 100 Millionen Euro, heuer sind es noch mehr.
Wird nicht der Ausbau auch durch fehlende politische Vorgaben für die Verteilnetzebene aus einigen anderen Gründen erschwert?
Wir brauchen einen zeitlich und räumlich integrierten Plan für den gesamten Ausbau, und den sehen wir nicht. Jetzt haben wir zum Beispiel massive unkoordinierte Photovoltaik-Investitionen auf privaten Dächern, letztes Jahr ein Gigawatt, heuer weitere zwei -und wir müssen durch die Gleichzeitigkeit der Erzeugung, sehr oft zu einer Zeit, wo gar nicht so viel gebraucht wird, mittlerweile andere Anlagen abregeln. Es ist volkswirtschaftlich hochproblematisch, auf der einen Seite den Ausbau zu fördern und auf der anderen die Erzeugung zu drosseln.
Sehen Sie irgendwo Vorbereitungen, um das abzustellen?
Politisch sehe ich so einen Ansatz bisher nicht.
Der Staat ist in mehreren Bereichen ambivalent. Einerseits fördert er auf Teufel komm raus, andererseits schöpft er die Gewinne der Stromversorger ab. Ist das sinnvoll?
Die Gewinnabschöpfung war die zweitbeste Lösung in der Energiekrise, um die Verwerfungen durch die Gasversorgungskrise auszugleichen. Die beste wäre die temporäre Entkopplung des Gaspreises vom Strompreis gewesen, wie sie von uns als Branche empfohlen wurde. Aber wir haben uns damit abgefunden, denn in Österreich gibt es die vernünftige Regelung, 50 Prozent der Investitionen in Erneuerbare auf die Abschöpfung anzurechnen. (Anm.: Am 24.Jänner 2024 hat die Regierung die Absicht erklärt, diesen Wert auf 75 % anzuheben.)
Tatsächlich kommt dann gar nicht so viel zusammen. Von den einstmals angekündigten vier Milliarden Euro an Gewinnabschöpfung ist im jetzigen Budgetvoranschlag der Regierung nur ein niedriger dreistelliger Millionenbetrag zu sehen.
Ja, das liegt natürlich auch daran, dass die Strompreise wieder massiv gesunken sind. Und das hat ja auch etwas Gutes für die Kunden.
Wie viel wird Verbund an den Staat im Rahmen der Gewinnabschöpfung abliefern?
Das ist eine komplizierte Rechnung. Wir zahlen jedenfalls das meiste aller Stromversorger. Bis zum dritten Quartal 2023 sind es 77 Millionen Euro, ohne unsere Investitionen wären es rund 150 gewesen. Aber mit allen Steuern unseres Konzerns plus der Dividende bekommt die öffentliche Hand natürlich deutlich mehr.
Zur Person
MICHAEL STRUGL [geb.1963] ist seit 2021 CEO von Österreichs größtem Energieversorger und Netzbetreiber, Verbund AG. Zuvor war er als Wirtschaftslandesrat und Landeshauptmannstellvertreter Mitglied der Oberösterreichischen Landesregierung und Klubobmann im ÖVP-Landtagsklub. Er studierte Rechts- und Wirtschaft (MBA), war u. a. Aufsichtsrat der Energie AG Oberösterreich und Mitgründer des oberösterreichischen Thinktanks Academia Superior.
Das Interview ist aus trend. edition+ vom Dezember 2023.
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