Voestalpine-Chef Herbert Eibensteiner während eines Interviews 2022
©IMAGO / Harald DostalMöglicher Schaden durch zu hohe Steuern, Manipulation bei deutscher Tochter dürfte jedoch Einzelfall sein.
In den Werkshallen, Büros und Kantinen der Voestalpine in Österreich gab es zuletzt nur ein Thema: den Bilanzskandal bei einer deutschen Tochterfirma der Metal Forming Division, der einen Wertberichtigungsbedarf von bis zu 100 Millionen Euro in der jüngsten Bilanz nach sich zog. Was genau geschehen ist und warum das Unternehmen die Öffentlichkeit nicht früher darüber informiert hat, ist noch immer unklar. Die Finanzmarktaufsicht (FMA) hat sich bereits eingeschaltet.
Der Kapitalmarkt hat verblüffend ruhig auf die Nachricht reagiert, doch intern ist die Unruhe groß. Offenbar um das Heft wieder in die Hand zu bekommen, hat CEO Herbert Eibensteiner nun mit einem Video reagiert, das am Mittwochnachmittag ins Intranet des Stahl- und Technologiekonzerns gestellt wurde. Der 6:40 Minuten lange Film ist also theoretisch für 52.000 Mitarbeiter weltweit abrufbar und liegt dem trend vor.
Eibensteiner, dunkles Sakko, offener Hemdskragen, stellt den Verlauf der Ereignisse dar und hält einmal mehr fest, dass „aus heutiger Sicht keine Geldmittel abgeflossen sind.“ Durch die über einen Zeitraum von zehn Jahren getätigten Aufwertungen, ausgeführt laut bisherigen Medienberichten mutmaßlich von einem Ex-Geschäftsführer und einem Buchhalter, könnte aber insofern Schaden entstanden sein, als „möglicherweise zu viel Steuern bezahlt“ wurden – die Summe beziffert der Voestalpine-Chef nicht, es ist mit Sicherheit ein Aspekt des Themas, der auch die Aktionäre interessiert.
Mit der Aufarbeitung des Skandals, die „noch einige Monate dauern“ werde, wurden eine deutsche Rechtsanwaltskanzlei und eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft beauftragt; Details dazu nennt Eibensteiner auch im Video keine. Dem Vernehmen nach wurde bereits eine Vielzahl von Interviews mit möglichen Verantwortlichen geführt.
Weil der Vorstand die Ergebnisse der nach Auftauchen der Manipulation eingeleiteten Untersuchung abwarten wollte, „um ein vollständiges Bild zu haben“, wurde der Sachverhalt nicht früher publiziert, argumentiert der CEO in dem Video und gesteht ein, „dass die Kommunikation sicher besser hätte laufen können.“ Die internen Kontrollsysteme sollen jetzt an die neuen Erkenntnisse angepasst werden.
Neu ist ein Detail in einem Nebensatz: Die Manipulation hatte offenbar nicht System. Ein Schnellcheck ergab, dass es „keine weiteren Fehlbuchungen in anderen Gesellschaften“ gab, so Eibensteiner. Bilanzexperten sagen dem Trend, dass es extreme Professionalität, Insiderkenntnisse und langen Atem brauche, um eine Bilanz über einen so langen Zeitraum hinweg unentdeckt zu frisieren.
Auf trend-Anfrage bestätigt der Stahl- und Technologiekonzern die Existenz des Videos, will sich aber darüber hinaus nicht zu weiteren Fragen äußern, etwa dazu, ob nach Klärung der Verantwortlichkeiten und des tatsächlichen Schadens daran gedacht sei, sich einen Teil von den Manipulatoren oder den Wirtschaftsprüfern zurückzuholen.