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Österreichs KMU müssen extreme Spagate bewältigen.

©iStockphoto/Neanderthal Museum
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Essay. Österreichs genialen KMU-Unternehmern wird das Härteste abverlangt: Verwandlung an allen Ecken und Enden.

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Wer blind ist, kann nicht sehen. Wer nicht kämpft, hat schon gesehen.

Adam BronsteinAutor

Der Satz „Mögest du in interessanten Zeiten leben“ ist fernöstlicher Herkunft. In Europa kennt man ihn seit 1948 aus den Memoiren von Hugh Knatchbull-Hugessen, einem britischen Botschafter in China. Seither haben sich westliche Denker mit seiner Auslegung beschäftigt. Für weltweite Verbreitung sorgte auch eine Rede von Robert F. Kennedy, die er 1966 in Kapstadt hielt: „Ob wir es mögen oder nicht – wir leben in interessanten Zeiten“.

Kennedy war nicht naiv und hatte begriffen, dass der Satz kein Glückskeks für Freunde, sondern ein Fluch ist, der sich aus zwei chinesischen Quellen speist: „Besser ein Hund in Friedenszeiten als ein Mensch in Zeiten des Aufruhrs“ und „Zu einem ungünstigen Zeitpunkt geboren zu sein, bringt ewige Sorgen und Kummer“. Also eigentlich immer, wenn es nach dem großen, missmutigen Philosophen Friedrich Hegel ginge: „Die Weltgeschichte ist nicht der Boden des Glücks. Die Perioden des Glücks sind leere Blätter in ihr.“

Wir, das einfache Volk der Wirtschaftsredakteure, und unsere verehrten Freunde, die Unternehmer, sehen das nicht so. Wir sind anders gepolt. Sonst hätten wir einen anderen Job gesucht. Einen, der weniger Schwung und Wagemut braucht. Der Begriff Risiko ist uns wohlvertraut. Er ist uns meistens lieb und manchmal teuer, ein fairer Kontrapunkt zum Auspendeln unser schönen Möglichkeiten, als Unternehmer überproportional viel Geld zu verdienen und als Arbeitgeber von braven Bürgern geschätzt zu werden.

Wer sich die Müh antun und noch mehr als die täglich 14 Stunden arbeiten will, die als Normalmaß der mühsamen Anfangsjahre eines Unternehmers gelten, kann sich zusätzlich um einen höheren Rang in der so genannten High Society bemühen. Das ist den Unternehmern in meinem Freundeskreis allerdings völlig fremd. Sie halten es für abartig, als Mäzene auf peinlichen Charity-Partys aufzutreten, deren wohltätige Erlöse gerade mal den Kaviar decken, den sie aufs Wohl der Armen futtern.

Da denken sie lieber über Reinvestitionen der Gewinne nach. So sind sie nach und nach in komfortable Einkommensprogressionen aufgestiegen und lernten smarte Steuerberater kennen.

Ihr Berufsprofil zeigt eine fortwährende Zielstrebigkeit und Lust an Neuem, das sie immer als Chance begreifen, nicht als Bedrohung eines bequemen Lebens. Und wenn sie einmal danebengegriffen haben, weil das Risiko zu groß gewesen war, nehmen sie dies ohne zu jammern hin. Diese lässige Haltung fällt ihnen leicht, da sie öfter gewonnen als verloren haben. Und weil sie genau wissen, das grundsätzliche Glück gehabt zu haben, in einem kleinen, friedlichen Wirtschaftswunderland zu wirken.

Selbst jene die heute schon alt genug sind, in einer Art Unruhestand zu leben, können sich kaum noch an ernste Krisen erinnern. Sie wissen, dass sie in einen privilegierten Slot der Geschichte geboren wurden. Selbst die herben Ölpreiskrisen 1973 und 1979 und die Finanzskandale 2007 ff. sind heute nur noch blasse Erinnerungen.

Irgendwann glaubte man, das Paradies währe ewig, ein Atlantis, das nie im Meer versinkt. Bis dann Corona kam, ein bislang unbekannter Riesenschatten, gleichzeitig flankiert von anderen Heimsuchungen, die ebenso unerwartet kamen und schockierten. Da stellte sich heraus, dass das Neue nur so lang spannend sein kann, wie man es versteht. Wenn die Menge und die Komplexität des Neuen zu viel werden, verwandelt sich das vorher sportliche Interesse in Verdruss und Angst.

Selbst coole Typen hielten die Heimsuchungen wie Corona, Ukraine-Krieg, Inflation und die geopolitischen Verschiebungen in Richtung Asien für eine Art Jüngstes Gericht als Ausgleich für die vielen guten Jahrzehnte zuvor. Und der Satz „Mögest du in interessanten Zeiten leben“ schimmerte nun in seiner ursprünglichen chinesischen Auslegung durchs Gewebe, ein Fluch statt ein Segensspruch.

Die Österreicher, deren 300.000 KMU bisher eine zuverlässige und flexible Ritterrüstung gegen Angriffe waren, fühlten sich nun nicht nur durch Corona und Co. massiv bedroht, sondern zusätzlich als meist hochpreisige Edelzulieferer für anspruchsvolle Riesen. Ihr Gütesiegel „Made in Austria“ hat längst mit „Made in Germany“ und „Swiss Made“ gleichgezogen. Nun aber stand mit China fast wie aus dem Nichts gekommen eine neue, auch wirtschaftlich geschickte Großmacht auf der Matte, ein Billiganbieter mit menschenrechtsverachtender Lohnstruktur.

Die Corona-Bekämpfung war langwierig, ist aber letztlich gelungen. Die Frage, ob dabei alles richtig gemacht wurde, ist müßig. Das interessiert heute nur noch Impfgegner und Verschwörungstheoretiker. Jedenfalls haben wir die Pandemie überwunden. Bis dahin hat sie freilich in der Wirtschaft vieles von unten nach oben gekehrt. Und manches als angenehme Überraschung, auch zu unserem Glück. Die Corona-Auswirkungen auf die Logistik der internationalen Geschäfte sind signifikant und werden bald ein spürbarer Vorteil sein.

Als ein in der Wolle gefärbter Optimist vermerkte ich mit Befriedigung, dass auch die normative Kraft des Zufälligen viel Positives bescheren kann. Es ging ja in dieser Zeit nicht nur allein um Gesundheit. Es gab auch den gleichzeitigen Zwang, endlich sparsam mit Energie umzugehen, um dem Klima aufzuhelfen und die gefährlich hohe Teuerung einzudämmen. So kam eine Neugestaltung der irrwitzig langen, globalen Transportwege in den Fokus der Reformer. Man hätte sie als groteske Umweltsünde schon längst verkürzen müssen, weit vor den coronabedingten Lieferketten-Troubles, die viele Unternehmer in Insolvenz warfen, weil sie auf Riesenhalden ihrer halbfertigen Endprodukte sitzenblieben.

Eine bereits spürbare Rückkehr der Vernunft in diesem elementaren Teilbereich weckt Vorfreude. Als grenznahe Zulieferer im Herzen Europas werden wir von den künftig kürzeren Transportwegen enorm profitieren. Das sind zwar „Windfall Profits“ ohne eigenes Zutun. Doch der Weise schaut dem geschenkten Gaul nicht ins Maul. Man muss ja nicht gleich selbstherrlich jubeln. Ein Gentleman genießt und schweigt.

Obwohl: Ein wenig Spott darf die Vorfreude auf positive Impulse für Wirtschaft, Wohlstand und damit inneren Sozialfrieden schon begleiten.

Mit Behagen stelle ich mir derzeit die Verlegenheit vieler CEOs und CFOs europäischer Riesenkonzerne vor, die uns irgendwann ins Herz trafen, weil sie uns untreu wurden. Sie sind überhastet den Sirenengesängen fernöstlicher Billigzulieferer erlegen. In der antiken Saga „Odyssee“ sind die Matrosen, vom süßen Gesang der schönen Weiber lüstern verwirrt, an den Felsen Skylla und Charybdis zerschellt. Nur der schlaue Odysseus überlebte, weil es sich selbst an den Mast band.

Niemand wünscht den abtrünnigen Konzernherrn ein böses Karma wie dieses. Es genügt, wenn sie reumütig zu ihren österreichischen Edellieferanten zurückkehren.

Auch wenn diese keine Billigmeier sein können. Sie bezahlen ihre Mitarbeiter gut, während China und die kleinen Tigerstaaten oft die Grenzen der Menschenrechtsverletzung überschreiten (vorbildliche Ausnahme auch in Qualitätsfragen: Japan).

Im Übrigen muss man das Kind nicht gleich mit dem Bad ausschütten. Es gibt durchaus Produkte, die auch im Sinn des Umweltschutzes sinnvoll in Asien hergestellt werden. Beispielsweise kleine Motorräder, die dort einen riesigen Heimmarkt vorfinden, aber in Österreich/Europa entwickelt werden. Aus der Vogelschau gesehen gibt es doch mehr Silberstreifen am Horizont, als während der Pandemiezeit, in der Hochblüte der Hysterie, zu erwarten war.

Die Fragezeichen zur Digitalisierung

Das vielleicht wichtigste Zukunftskapitel habe ich mir für einen der kommenden trend-Essays reserviert. Das Thema im Sound der Faust’schen Gretchenfrage lautet: „Wie hältst du’s mit der Digitaltechnik?“ Ich bin da, was Österreich betrifft, noch im Zwiespalt.

Meine ersten Impressionen waren negativ, liegen aber lange zurück. Ich hatte damals praktisch einen Zweitwohnsitz im Silicon Valley. Im Vergleich zur dortigen Begeisterung wirkte Österreich entsetzlich lethargisch. Ausgerechnet die Unternehmer zeigten bei diesem Thema das Reizleitungssystem von Sauriern. Jeder zweite Boss hielt den PC für eine verfeinerte Version der Schreibmaschine und delegierte die Arbeit damit logo an die Sekretärin.

Das hat sich gewiss sehr verbessert, braucht aber zur genauen Ermittlung eine Reihe frischer Gespräche. Als extra intelligente Hilfe freue ich mich auf das Wiederlesen eines glänzenden Buchs. Es heißt „Gegen den Verfall“ (Wie die Digitalisierung Europa retten muss), wurde bei Morawa verlegt und von Österreichs „Mr. Digital“ (Helmut Fallmann, Fabasoft) geschrieben. Jan Philipp Albrecht, Mitglied des Europäischen Parlaments, hat es wie folgt rezensiert: „Helmut Fallmann ist nicht nur ein erfolgreicher IT-Unternehmer, sondern auch ein Vordenker über die Chancen der Digitalisierung für Europa. Dieses Buch muss jeder lesen, dem die Zukunft Europas am Herzen liegt“. Mehr und Neues darüber demnächst im trend.

Meinen klugen Leserinnen und schönen Lesern entbiete ich den vertrauten Abschiedsgruß: Be good, next time, same station.

Der Essay ist trend. PREMIUM vom 24. Mai 2024 entnommen.
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