Der 40-jährige CEO, Philipp Lehner, führt das 1955 gegründete Kunststoffunternehmen Alpla mit Sitz in Hard in der dritten Generation.
©Alpla/Bernd HofmeisterWein in PET-Bouteillen, Shampoos in Mehrweg-Gebinden und Vitamine in recycelbaren Papierflaschen: Der Kunststoffkonzern Alpla denkt als Innovationsführer Verpackungen für eine Vielzahl von Produkten komplett neu.
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Auf den ersten Blick ist nicht zu erkennen, dass die Weinflasche, die Philipp Lehner in den Händen hält, aus Plastik ist. Erst wenn er sie einem überreicht, fühlt man das andersartige Material und ist überrascht von der Leichtigkeit der neuen Verpackung. „Unsere Weinflasche aus PET, die wir in diesem Jahr sehr erfolgreich vorgestellt haben, hat einen viel geringen CO2-Fußabdruck als ihr Pendant aus Glas, sieht optisch ganz ähnlich aus, ist aber leicht und bruchsicher“, fasst Lehner, CEO des Vorarlberger Verpackungsherstellers Alpla, der das Ranking der top 100 innovativen Unternehmen anführt, die Vorteile der Erfindung zusammen.
Entwickelt wurde das bahnbrechende Gebinde zusammen mit der Rewe-Eigenmarke Weinkellerei Wegenstein, die diese zunächst exklusiv in den österreichischen Lebensmittelhandel bringt. Später geht Alpla dann in die breite Vermarktung. „Das kann ein echter Gamechanger für die Weinindustrie sein“, freut sich Lehner, der im Alter von 40 Jahren das Unternehmen in der dritten Generation leitet.
1.000 Patente
Großvater Alwin Lehner, ein Tüftler, hat Alpla 1955 zusammen mit seinem Bruder gegründet. Das Startkapital war eine Spritzgussmaschine, die in der elterlichen Waschküche aufgestellt wurde. Der ursprüngliche Name Alpenplastik Lehner Alwin GmbH ist seitdem Programm: Alpla ist Spezialist für die Herstellung von Plastikflaschen und -verschlüssen für Getränke, Reinigungsmittel, Körperpflege und Lebensmittel. Mit einem Umsatz von 4,7 Milliarden Euro ist das Unternehmen, das im alleinigen Besitz der Familie Lehner steht, eines der größten des Landes.
Und eines der innovativsten. Pro Jahr werden rund ein bis zwei Prozent des Umsatzes in Forschung und Entwicklung investiert. Mit rund 1.000 aufrechten Patenten verfügt man zudem über ein sehr großes Patentportfolio, das ständig erweitert wird. Den Schwerpunkt der Anmeldungen bilden neue Technologien, beispielsweise im Faserbereich, sowie Recyclingtechnologien. Deren Weiterentwicklung ist im Hinblick auf den Einsatz von Rezyklaten ein strategisches Ziel des Unternehmens. Bis 2025 sollen alle Verpackungslösungen bei Alpla vollständig recycelbar sein.
Dank der Innovationskraft des Konzerns wurde das laut CEO technisch gesehen bereits nahezu erreicht. „Innovation ist Teil unserer DNA. Wir zählen zu den Innovationsführern der Industrie, weil wir bereit sind, zu investieren, und für ein Unternehmen unserer Größe sehr agil handeln. So können wir schnell Ressourcen bündeln und internen wie externen Ideen nachgehen und sie testen“, sagt Lehner – Ideen wie die des Start-ups Paboco.
Das 2019 von Alpla und dem dänischen Verpackungskonzern Billerud in Dänemark gegründete Unternehmen befindet sich mittlerweile im Alleineigentum der Vorarlberger und kann ein spektakuläres Produkt vorweisen: die weltweit erste Papierflasche, die wie Altpapier recycelt werden kann. Was bislang aber fehlte, war ein faserbasierter Verschluss. Dafür ging das Alpla-Tochterunternehmen eine Kooperation mit einer schwedischen Firma ein und konnte vor wenigen Wochen einen Durchbruch in Form der ersten marktreifen Kombination aus Papierflasche und faserbasiertem Verschluss vorstellen. Entwickelt für Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel können derart auch viele andere Produkte verpackt werden. Voraussichtlicher Marktstart ist Anfang 2025.
Neue Märkte und Technologien
Die Innovationsstrategie von Alpla bewegt sich auf drei Feldern: Ist für Alpla sowohl die Technologie als auch der Markt neu wie etwa bei der Papierflasche, handelt es sich um das anspruchsvolle Feld des „Innovationshorizontes“. Im zweiten Feld wird nach Wachstumsmöglichkeiten -gesucht. Ein Beispiel hierfür sind die Pharmaverpackungen, die der Kunststoffkonzern durch Übernahmen hoch spezialisierter Unternehmen sowie durch Inhouse-Innovationen weiterentwickelt.
Das dritte Feld ist der etablierte Bereich. Hier kennt man den Markt und die Technologie, und es geht darum, das Leistungsportfolio kontinuierlich zu verbessern, etwa in Sachen Energieeffizienz, Qualität oder Materialreduktion. „Innovation passiert bei uns global, jedoch ist Europa zurzeit ein schwieriges Terrain, denn die Rahmenbedingungen, um Neues zu entwickeln, sind schwierig. Genehmigungen einzuholen, dauert lange, die Kosten sind hoch wie die Komplexität“, sagt der CEO, der den global tätigen Konzerns mit knapp 200 Standorten in 50 Ländern von Hard aus lenkt.
Dort sitzt auch das Corporate-Innovation-Team des Konzerns, das aus 60 Leuten besteht. Darüber hinaus hat man auch in den Regionen weltweit zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im Rahmen der Produktentwicklung für den Bereich Innovation tätig sind. „Auch innerhalb unserer unterschiedlichen Business Units findet reichlich Innovationstätigkeit statt. Außerdem arbeiten wir im Rahmen von Joint Ventures an der Erforschung neuer Verpackungslösungen und -materialien“, erzählt Lehner.
Raum für Kreativität
Der Innovationsprozess bei Alpla umfasst typischerweise drei Phasen: Discovery, Development und Commercialization. In der Discovery-Phase werden Problemstellungen identifiziert und vielfältige Lösungsmöglichkeiten erforscht. Während der Development-Phase entwickelt man bereits Prototypen, die erste Ergebnisse liefern. In der Commercialization-Phase werden die Prototypen dann an Kundenbedürfnisse angepasst, bevor sie auf den Markt kommen.
Insbesondere bei der Nachwuchsförderung und bei Forschungsprojekten arbeitet man eng mit Universitäten zusammen. „Wir haben auch zahlreiche Kooperationen mit vielversprechenden Start-ups, die an neuen Materialien und Technologien forschen. Darüber hinaus bekommen wir Anfragen für Projekte aus der ganzen Welt, die wir sorgfältig prüfen und gegebenenfalls weiterverfolgen“, erzählt Lehner.
Eine Beispiel für eine erfolgreiche Start-up-Kooperation ist jene mit Sea Me aus Hamburg. Zusammen entwickelten die ungleichen Partner in der Alpla-Firmenzentrale in Hard die erste PET-Mehrwegflasche für Kosmetikprodukte. In Deutschland und in Österreich bieten einige Hersteller bereits Shampoos, Duschgels oder Spülmittel in den innovativen Gebinden an. Kunden und Kundinnen können die Verpackung später im Handel retournieren und erhalten den Einsatz zurück.
Neben neuen Mehrwegkonzepten gibt es viele weitere Beispiele, wie Alpla die großen Trends hin zu ressourcenoptimierten und optimal recyclingfähigen Verpackungen in Innovationen und Entwicklungen aufgreift. Im Fokus stehen beispielsweise Leichtgewichtflaschen, Konzepte mit Flasche und Verschluss aus dem gleichen Material, einfache Verpackungen sowie biobasierte und biologisch abbaubare Materialien.
„Innovation bedeutet für mich, Bestehendes besser zu machen sowie neue Bedürfnisse zu identifizieren und abzudecken. Und man muss Dinge verändern, seien es Sichtweisen, Strukturen oder Fähigkeiten“, beschreibt Lehner seinen Zugang zu Innovation. Dafür brauche es zudem ausreichend Raum für Kreativität und zum Experimentieren – „und auch eine gesunde Fehlerkultur ist unerlässlich“.