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„Brauchen wieder einen positiven Flow“

IN KOOPERATION MIT DELOITTE
Aktualisiert
Lesezeit
10 min

Reinhard Karl (li) und Gottfried Spitzer (re.)

©Wolfgang Wolak
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Wirtschaft war auch schon mal lustiger. Aber trotzdem gilt: Krisen sind auch eine Chance. Die liegt für Österreich in neuen Exportmärkten und KI-Anwendungen – und in Ermutigung.

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TREND: Wir steuern in das dritte Jahr einer Rezession. Wie erleben Sie die Stimmung bei den Unternehmen: Ärmel aufkrempeln oder stille Verzweiflung?

Gottfried Spitzer: Ich würde von abwartender Skepsis sprechen, vor allem die Industrie ist verunsichert. Das hängt auch mit den geopolitischen ­Umwälzungen zusammen. Aktuell gibt es Entwicklungen, die man noch vor wenigen Monaten für unvorstellbar ­gehalten hätte.

Reinhard Karl: Auch wir spüren bei den Betrieben eine Zurückhaltung bei Investitionskrediten. Aber ich weiß, dass Österreichs Unternehmen inno­vativ sind und ihre Geschäftsmodelle der aktuellen Situation anpassen können. Und man sollte auch die positiven Entwicklungen sehen. So ist die Inflation deutlich niedriger als noch vor zwei Jahren.

Spitzer: Auch die neuerliche Zins­senkung und das Lockern der Schuldenbremse in Deutschland sollten für positive Impulse sorgen.

Was muss die neue Regierung unternehmen, um wieder mehr Schwung in die Wirtschaft zu bringen?

Karl: Es braucht verbesserte Rahmenbedingungen für den Wirtschaftsstandort Österreich. Das betrifft vor ­allem die hohen Lohnstückkosten und die Energiepreise. Beide Faktoren wirken sich massiv negativ auf die inter­nationale Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Unternehmen aus. Verschärft wird das durch die starke Zurückhaltung beim privaten Konsum. Die Sparquote liegt derzeit bei 13 Prozent, das ist so hoch wie während der Pandemie. Wir müssen jetzt schauen, in einen ­positiven Flow zu kommen, sowohl bei den Betrieben als auch bei den Kon­sument:innen.

Spitzer: Wir sehen beispielsweise in der Tourismuswirtschaft einen solchen Flow. Da gibt es eine überraschend hohe und nachhaltige Investitions­bereitschaft. Und der Tourismus kann schon ein deutlicher Wachstumstreiber sein. Das Beispiel zeigt: Wenn Unternehmen in Qualität investieren und dann auch selbstbewusst einen fairen Preis für ihr Produkt verlangen, wird das von den Konsument:innen gut ­angenommen.

Wirtschaft braucht Vertrauen. Was tun, wenn es daran mangelt?

Karl: Vertrauen ist eine Stimmungsfrage, das lässt sich nicht heraufbeschwören. Es braucht positive Signale in Richtung der Konsument:innen, dass die Arbeitsplätze und die soziale Ver­sorgung sicher sind. Und dann muss es eine faire Verteilung geben. Durch die Lohnerhöhungen ist die Inflation mehr als abgegolten worden, das ist jetzt ein Problem. In Österreich sind die Lohnstückkosten in den vergangenen Jahren um 30 Prozent gestiegen, doppelt so hoch wie in Deutschland.

Spitzer: Dass die Lohnstückkosten dermaßen in die Höhe getrieben wurden, ist wirklich dramatisch. Darunter leidet unsere Wirtschaft massiv. Dazu kommen dann noch die hohen Energiepreise und unser Übermaß an Bürokratie. Die vielen Regularien auf EU-Ebene in Kombination mit einem überbordenden Förderalismus verursachen riesigen Aufwand und Kosten. Diese vielen ­Ebenen müssen alle von der Wirtschaft erhalten werden, und das geht sich nicht mehr aus.

Karl: Es gibt auf EU-Ebene 76 Institutionen mit 60.000 Beschäftigten, die jährlich 2.000 Rechtsakte verfassen, die in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Das bindet auch in den Betrieben gewaltige Kapazitäten.

Spitzer: Statt immer neuer Verordnungen braucht die Wirtschaft verlässliche Rahmenbedingungen. Ein abschreckendes Beispiel ist, was mit der europäischen Automobilindustrie geschieht. Da werden Milliarden an Wert vernichtet.

Umfassender „Fitness-Check“ für Unternehmen

Man sagt gerne: Krisen sind eine Chance. Hat das noch Gültigkeit, oder taugt es eher als Kalenderspruch?

Spitzer: Die Pandemie hat doch gezeigt, was in Krisensituationen möglich ist. Praktisch über Nacht war es möglich, dass viele Beschäftigte von daheim aus arbeiten können. Das war eine große Herausforderung für die Betriebe, hat aber perfekt funktioniert. Wenn es hart auf hart kommt, sind die Unternehmen in der Lage, innovative Lösungen zu finden. Hinzu kommt, dass Betriebe gezwungen werden, bekannte Probleme auch wirklich anzugehen. ­Insofern gilt nach wie vor, dass Krisen eine Chance sind.

Karl: Krisen fördern Innovationen. Denn je größer die Turbulenzen sind, desto früher muss ich hinterfragen, ob mein Geschäftsmodell innovativ genug ist. Und Österreichs Unternehmen sind innovativ, sie sind in vielen Bereichen Weltspitze. Nur: Um diesen Platz zu halten, müssen wir weiter in Grundlagenforschung investieren. Hier darf es trotz aller Sparzwänge keine Kürzungen geben. Und wenn wir dann auch die Forschung und die Entwicklungspotenziale in den Unternehmen wieder auf ein hohes Niveau zurückbringen, dann bildet das eine gute Basis für das Wirtschaftswachstum.

Was können weitere Rezepte gegen die Krise sein?

Karl: Österreich lebt vom Export. Und da müssen wir neue Märkte in den Fokus nehmen. Deutschland ist ein ­extrem wichtiger Handelspartner und wird es auch bleiben. Aber es gibt auf der Welt mehr als 70 Volkswirtschaften mit einem Wachstum von über vier Prozent, die müssen wir als Exportmärkte erschließen. Das war ja auch Österreichs Erfolgsmodell in der ­Vergangenheit.

Spitzer: Viel Potenzial bieten Digitalisierung und künstliche Intelligenz. Wir sind bei der KI nicht vorne dabei, können aber bei der praktischen Anwendung eine wichtige Rolle spielen. Nur dürfen wir nicht wieder den Fehler machen, Produktivitätssteigerungen durch überzogene Gehaltserhöhungen zu verspielen. Vielmehr brauchen wir Leuchtturmprojekte, die Mut machen.

Welche Rolle kann ein Wettbewerb wie Best Managed Companies dabei spielen?

Karl: Wir brauchen in Österreich jetzt eine Allianz, um wieder Schwung in die Wirtschaft zu bekommen. Best Managed Companies ist ein wesentlicher ­Beitrag dazu, weil er zeigt, dass es viele Unternehmen gibt, die unter diesen schwierigen Bedingungen innovativ ­vorangehen, Umsatzzuwächse haben, einen großen Wert auf Nachhaltigkeit legen und eine ausgeprägte Mitarbeiterkultur leben. Das alles sind positive Role-Models, die helfen, Zuversicht zu verbreiten.

Spitzer: Es gibt viele hervorragende Unternehmen in Österreich. Diese vor den Vorhang zu holen, ist ein wichtiges Signal. Als Segler weiß ich: Jeder Leuchtturm gibt Orientierung, Sicherheit und Zuversicht. Und genau darum geht es jetzt in Österreich.

Zu den Personen:

Deloitte

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