HIER ENTSTEHT ZUKUNFT. Das Silicon Austria Labs (SAL) in Villach ist ein Kompetenzzentrum für Mikroelektronik und Sensoren – und offen für Kooperationen mit Unternehmen.
©Helge Bauer & Sarina DobernigMaßarbeit statt Massenware: Eine ganze Reihe Kärntner Unternehmen haben sich mit Innovationen und HighTech erfolgreich in Nischen positioniert. Dahinter steckt auch die erfolgreiche Vernetzung von Betrieben, Wissenschaft und Ausbildung in Kärnten.
"Gefragt ist Flexibilität“. Harald Tautschnig bring das Geschäftsmodell seines Unternehmens auf den Punkt. Denn das Technologieunternehmen Lithexx in Dellach im Drautal ist Spezialist für die Entwicklung und den Bau von Anlagen für die Halbleiterindustrie. Zu den Kunden gehören große Player wie Infineon, AMS und NXP, das Who’s who der Branche. Gefragt ist nicht Massenware, sondern Maßarbeit.
„Wir bauen Anlagen für spezielle Sonderanwendungen“, erläutert Tautschnig, selbst Absolvent der HTL Klagenfurt für Elektrotechnik. Dabei geht es um unterschiedliche Größen der Waferscheiben, aber auch verschiedene Materialien von Glas über Kunststoff bis zu Silizium. Und damit es nicht fad wird, auch für unterschiedliche Branchen: So drehen sich auch in manchen Rolex-Uhren Silizium-Zahnräder aus Dellach.
Aktuellstes Forschungsprojekt von Tautschnig und seinen 17 Mitarbeitenden: eine Anlage für Wafergrößen von mehr als einem Meter Diagonale auf Basis von Quarzglas. „Die ersten Laborversuche waren erfolgreich“, freut sich Tautschnig.
Smarte Spezialisierung in einer anspruchsvollen und komplexen Nische – das ist nicht nur das Erfolgskonzept von Lithexx, sondern zahlreicher Kärntner Unternehmen. 80 Kilometer von Dellach entfernt übersiedelt TIPS Messtechnik gerade Teile der Fertigung in eine neue, 1.500 Quadratmeter große Fläche im Technologiepark Villach – die dritte Erweiterung am Standort. Das Unternehmen, vor knapp 30 Jahren in einer 40 Quadratmeter großen Garçonnière in Villach gegründet, hat sich auf Testgeräte für Mikrochips spezialisiert.
Erst Nische, jetzt Wachstumsmarkt.
Auch Gründer Rainer Gaggl und sein Geschäftspartner Martin Eberhart haben eine Nische erkannt, die mittlerweile ein absoluter Wachstumsmarkt geworden ist. E-Autos, Windräder und Sensoren verlangen immer kleinere und leistungsfähigere Mikrochips, was auch die Prüftechnik vor neue Herausforderungen stellt – genau die Kompetenz von TIPS.
Jüngste Innovation aus Villach: Ein Prüfverfahren, bei dem auch die neueste Generation von Chips in einer Miniatur-Druckkammer getestet werden kann, wodurch die bisher notwendigen Chemikalien umweltfreundlich durch Überdruck ersetzt werden.
Die Hightech-Schmiede beschäftigt mittlerweile 90 Mitarbeitende, wurde mehrfach ausgezeichnet und für den Staatspreis Innovation nominiert. Dass ein Kärntner Betrieb auf der internationalen Bühne mitspielt – der Exportanteil liegt bei 70 Prozent – ist kein Zufall. „Für ein Technologieunternehmen wie TIPS bietet Kärnten gute Entwicklungsmöglichkeiten“, sagt TIPS-Manager Michael Fiammengo, „das Bundesland bietet eine gute Infrastruktur sowie attraktive Förderungen. Und speziell im Bereich Leistungselektronik und Sensorsysteme ist ein gut funktionierendes Ökosystem entstanden, das spezialisierte Betriebe, Forschungseinrichtungen und Fachhochschulen umfasst, wie etwa das Silicon Alps Cluster.“
Aktuell arbeitet TIPS gemeinsam mit dem Forschungszentrum Silicon Austria Labs (SAL) in Villach an der Weiterentwicklung des „optischen Nadelmesssystems“, bei dem mittels Kamera die Prüfnadeln erkannt und vermessen werden. Die Messwerte für diese ständige Prozesskontrolle wurden bis dato manuell aufgezeichnet. Die Weiterentwicklung beinhaltet ein zweites Backup-System mit verbesserter Hardware, zudem werden die Messwerte automatisch gespeichert.
Wirtschaft & Wissenschaft.
Die Kooperation zwischen Wirtschaft und Wissenschaft ist kein Zufall, sondern Ergebnis einer besonderen Initiative unter dem Motto „Innovationen, rasch umgesetzt“. „Durch unser Kooperationsmodell bieten sich für Unternehmen in Kärnten zahlreiche Möglichkeiten, innovative Technologien in ihre Produkte und Prozesse zu integrieren und sich so einen Wettbewerbsvorteil zu sichern“, erläutert SAL-Geschäftsführerin Christina Hirschl. In Eigen- und Auftragsforschung sowie in Kooperation mit Industrie- und wissenschaftlichen Partnern forscht SAL an relevanten Leitthemen. Hirschl: „Mit diesem Modell ermöglicht SAL ihren Partnern nicht nur eine rasche, unbürokratische Umsetzung ihrer Forschungsidee, sondern finanziert auch 50 Prozent der gesamten Projektkosten.“
Der Industriepartner bringt lediglich 25 Prozent in Cash sowie weitere 25 Prozent durch Sach- und Personalleistungen ein.
Ein Ergebnis dieses Modells ist die Tiny Power Box. Dahinter verbirgt sich ein Onboard-Charger für Elektrofahrzeuge, der kleiner und leistungsfähiger als bisherige Systeme ist. Zudem ist er in der Lage, den gespeicherten Strom auch wieder an Haushalte oder sogar das Stromnetz abzugeben. Für die Weiterentwicklung dieses Zwei-Wege-Chargers wurde jetzt gemeinsam mit Infineon, der TU Graz und dem italienischen Hersteller Meta System ein neues Forschungsprojekt gestartet. „Forschung und Markt rücken somit noch stärker zusammen“, freut sich Hirschl. Für die SAL-Geschäftsführerin ist eindeutig: „Kooperation ist das Schlüsselwort der Zukunft.“
Study & Work.
Davon ist man auch an der FH Kärnten überzeugt. Seit mehreren Jahren bietet die FH mit dem Programm „Study & Work“ die Möglichkeit, durch die Vereinbarung von Studium und Beruf gleichzeitig praktische Erfahrungen zu sammeln und das Fachwissen in der realen Arbeitswelt anzuwenden. Konkret haben Studierende die Gelegenheit, zu ihrer Fachrichtung passend in Teilzeit (mindestens 20 Stunden pro Woche) in einem Unternehmen zu arbeiten. Für Vollzeitstudierende sind auch weniger Stunden möglich.
Eine Win-win-Situation: Studierende haben die Chance, frühzeitig bei Unternehmen anzudocken, die Betriebe wiederum können Talente für sich gewinnen. Kein Wunder also, dass mittlerweile über hundert Unternehmen bei „Study & Work“ dabei sind, darunter Strabag, Flextronics, Wild, Hirsch Servo, Treibacher, Lindner Recycling und Kelag.
Zuletzt sorgte eine Innovation made in Carinthia international für Schlagzeilen: Infineon hat am Standort Villach, dem globalen Kompetenzzentrum für Leistungselektronik des Technologiekonzerns, als erster Anbieter weltweit die Technologie mitentwickelt, um Mikrochips auf Basis des Halbleitermaterials Galliumnitrid (GaN) auf 300 Millimeter großen Wafern produzieren zu können. Auf diese Wafer passen 2,3-mal mehr Halbleiter als auf die bislang üblichen Scheiben mit 200 Millimetern Durchmesser, wodurch die Herstellung deutlich günstiger wird. GaN ermöglicht noch energieeffizientere Endprodukte sowie kleinere Bauteile und findet sich zum Beispiel in Ladegeräten, Adaptern oder Stromversorgungen für KI-Systeme. „Ein bahnbrechender Meilenstein und wichtiger Hebel für die Dekarbonisierung und Digitalisierung“, sagt Thomas Reisinger, Vorstand für Operations bei Infineon Technologies Austria.