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„Wir spielen die Rolle eines Enablers für die digitale Transformation“

IN KOOPERATION MIT ORS
Aktualisiert
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12 min

©ORF/Thomas Ramstorfer
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Michael Wagenhofer, Geschäftsführer der ORS Group, über den Boom des Radios, Streaming als Chance und Gefahr für die Medienbranche, die Zukunftsübertragungstechnologie 5G Broadcast sowie das nahende 20-jährige Firmenjubiläum.

Trend: Sie haben schon im Vorjahr die ORS als Wegbereiterin digitaler Öko­systeme bezeichnet. Heuer wurde der klassische Rundfunk mit zahlreichen neuen digitalen Radiosendern bereichert, und beim Streaming sorgten ­Lösungen wie „TV as a Service“ oder die neue Technologie 5G Broadcast für ­Aufsehen. Wo steht die ORS heute?

Michael Wagenhofer: Die digi­tale Ökonomie basiert stark auf Partnerschaften. Nur wenige digitale Unternehmen haben die Marktmacht, um für sich allein bestehen zu können. Dieses Credo gilt umso mehr, wenn es um die digitalen Medien geht. Unsere Rolle in diesem ­Zusammenhang ist jene des Enablers. Dabei verschaffen wir mit unseren leicht zugänglichen Services Reichweite, die die Basis für unterschiedliche Geschäftsmodelle ist. Vom werbefinanzierten Radio über Abo-basiertes Video-on-Demand bis hin zum gemeinwohlorientierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Technologisch sind wir breit aufgestellt: Klassischer terrestrischer Rundfunk und Satellitenrundfunk zählen ebenso zum Portfolio wie Cloud-basiertes IP-Streaming. Die Verschränkung dieser Welten verschafft uns eine Alleinstellung am Markt, die zunehmend auch internationale Beachtung findet.

Für das Radio war 2024 ein historisches Jahr.

Heuer wurde das Jubiläum 100 Jahre Radio in Österreich gefeiert. Zugleich kam es im Sommer zu einem einzigartigen Boom an neuen Radio­angeboten, wie wir ihn seit dem Start der Privatradios Ende der 1990er-Jahre nicht mehr erlebt haben. Die ORS sorgt dabei – wiederum im Sinne als Enabler – für das österreichweite DAB+-Sendernetz und kosteneffiziente Reichweite für alle Anbieter. Dabei war über viele Jahre unklar, ob die digitale Radiotechnologie DAB+ in Österreich ein Erfolg werden könnte. Die neuen Rahmenbedingungen haben es ermöglicht.

Laut einer Initiative der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR) soll, nachdem kürzlich der Handykata­strophenalarm einführt wurde, auch DAB+-Radio für Katastrophenwarnung verwendet werden.

Im Kern geht es ­dabei darum, den AT-Alert, der vom ­Innenministerium oder von den Landeswarnzentralen ausgelöst werden kann, nicht nur über das Handynetz, sondern auch über das Rundfunknetz an digitale Radiogeräte auszuspielen. Das ist selbstverständlich eine sinnvolle Erweiterung des AT-Alerts, wenngleich der technische Standard in den derzeit verkauften DAB+-Geräten noch nicht verbaut ist und auch der regulatorische Rahmen dafür noch zu klären ist. Das wird also noch ein paar Jahre dauern. Der Handykatastrophenalarm hat fast zehn Jahre beansprucht. Der Rundfunk leistet jedenfalls einen wichtigen Beitrag zur Resilienz der kritischen Kommunika­tionsinfrastruktur Österreichs, besonders wenn andere Kommunikationsmittel wie etwa das Internet nicht mehr zur Verfügung stehen sollten.

Das große Thema im Broadcasting ist weiterhin Streaming. Mit dem Partner Insys Video Technologies, an dem die ORS seit April 2024 mehrheitlich beteiligt ist, werden Streaminglösung auf ­globaler Ebene vermarktet. Wie hat sich das Geschäft entwickelt?

Streaming von Bewegtbild hat in den letzten Jahren eine sehr dynamische Entwicklung genommen. Während Analysten den Markt für Abo-basierte Video-on-Demand-Dienste mittlerweile gesättigt sehen und eine Phase der Konsolidierung erwarten, nimmt der Konsum von klassischen Fernseh­inhalten via Streaming weiterhin deutlich zu. Neue und nutzerfreundlichere Angebote wie ORF ON, ­ServusTV On oder Joyn treiben diese Entwicklung in Österreich. Aber auch mit der Entwicklung unserer hauseigenen TV-App simpliTV, die sämtliche in Österreich relevanten TV-Angebote bündelt, sind wir sehr ­zufrieden. Zugleich gibt es viele „New ­Publishers“. Wir sind etwa sehr stolz darauf, die technische Lösung für die Online-Mediathek des österreichischen Parlaments umsetzen zu dürfen. Und mit Kärnten-TV hat heuer das Land Kärnten einen zeitgemäßen Auftritt umgesetzt, der ebenfalls auf unseren technischen ­Lösungen basiert.

Streaming führt aber auch zu globalen Konzentrationserscheinungen.

Die Streamingtechnologie hat die einst traditionell hohen Markteintrittsbarrieren in den nationalen Rundfunkmarkt weitgehend zu Fall gebracht. Waren es früher „nur“ die deutschen Sendergruppen, die den österreichischen Anbietern via Satellit und Kabelweiterleitung Konkurrenz machten, sind es heute Giganten wie Neflix, Amazon Prime und Disney. Eine kürzlich veröffentlichte Hochrechnung von Ampere Analysis zeigt Disney an der Spitze der Content-Investitionen mit knapp 36 Milliarden Dollar allein im heurigen Jahr. Netflix hat seit der Pandemie durchschnittlich 14,5 Milli­arden pro Jahr in Content investiert. Durch das zunehmende Sport-Engagement sind steigende Investitionen zu ­erwarten.

Was bedeutet das für heimische Anbieter?

Die Herausforderung wird größer, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu finden. Es droht ein Szenario ähnlich dem Greißlersterben, das durch die ­großen Supermarktketten besiegelt ­wurde. Das gilt es am Medienmarkt mit allen Mitteln zu verhindern, denn es geht dabei um nichts weniger als unsere kulturelle Identität und unsere Demokratie. Ich brenne dafür, technische ­Lösungen zu entwickeln, die hinsichtlich der Usability auf Augenhöhe mit den globalen Anbietern spielen, damit auch der lokale Content weiterhin ein breites Publikum findet. Die ORS versteht sich als technischer Enabler in der digitalen Transformation, die alle Medienhäuser vollziehen müssen.

Gibt es bei der ORS neue, prominente Kunden?

Heuer konnten wir etwa für die ARD-Anstalten bei der Auslieferung der Streams der Fußball-Europameisterschaft unseren Beitrag leisten, und das türkische Fernsehen TRT hat die ORS Group mit der Umsetzung seines neuen Streamingangebots tabii betraut. Auf der Arabischen Halbinsel sind wir bei der größten Video-on-Demand-Plattform, MBC Shahid, für den Contentschutz (DRM) verantwortlich. Im neuen Jahr werden wir unseren Footprint in Afrika deutlich ausweiten, aber dazu darf ich leider noch keine Details nennen.

Im heurigen ­Sommer gab es ­einen einzigartigen Boom an neuen Radioangeboten.

Michael Wagenhofer, CEO ORS

Was ist im boomenden Onlinevideo­business weiters geplant?

Streaming bringt dem heimischen Markt mehr Konkurrenz, aber man kann den Spieß auch umdrehen und in globale Märkte expandieren. Der Markt insgesamt wächst stark, und mit diesem Wachstum wollen wir uns mitentwickeln. Den Nahen Osten, Europa, Afrika bis hin zu Nord- und Südamerika sehen wir als unsere Wachstumsmärkte an, die wir in strategischer Partnerschaft mit Amazon Web Services mit unseren Streaming­lösungen weiter erschließen möchten.

Die ORS war an der Entwicklung von 5G Broadcast, einer völlig neuen Übertragungstechnologie, maßgeblich beteiligt, die Livestreaming direkt von einem der Rundfunksender auf ein Handy ohne Mobilfunknetz ermöglicht. In Österreich gab es schon einige erfolgreiche Feldversuche. Wann startet 5G Broadcast?

Der technische Standard ist nun schon in vielen europäischen Testbetrieben auf Herz und Nieren getestet worden. Die ORS hat hier eine Vorreiterrolle eingenommen. Mittlerweile sind wir in der Phase sogenannter prekommerzieller Tests. Die RAI in Italien sendet etwa schon drei dedizierte Mobile-TV-Programme rund um die Uhr in Rom und Mailand via 5G Broadcast aus. Offen ist noch, wann 5G-Broadcast-fähige Mobilfunkgeräte in Serie gehen. Wir rechnen damit in zwei bis drei Jahren. Ein Bonus ist auch, dass diese neue Form des „Rundfunkstreamings“ deutlich weniger CO2-Emissionen als herkömmliches „­Internetstreaming“ verursacht.

Wichtig ist in Österreich auch das ­Satellitengeschäft. Wie sieht es da aus?

Österreich ist ein Satelliten-TV-Land. Rund 55 Prozent der österreichischen TV-Haushalte nutzen den Satellitenempfang, weil es nach wie vor jene technische Lösung ist, die die beste Empfangsqualität bei gleichzeitig geringen Gesamt­kosten bietet. Das wird sich auch in den nächsten zehn Jahren nicht signifikant ändern. Wir sind daher sehr froh darüber, dass wir mit SES Astra einen langjährigen Partner an unserer Seite haben, der erst heuer wieder in die für ­Österreich relevante Orbitalposition 19,2 Grad Ost investiert hat und den neuen Satelliten 1P in Cape Canaveral gelauncht hat.

Was steht bei der ORS im Jahr 2025 noch alles an?

Wir freuen uns schon darauf, unser 20-jähriges Jubiläum als eigenständiges Unternehmen feiern zu dürfen. Wir standen damals vor der Herausforderung, uns in nur wenigen Monaten von einer ORF-Abteilung hin zu einem Vollfunktionsunternehmen, das am Markt reüssieren muss, zu entwickeln. Das war auch eine große kulturelle Transformation. Nun geht es wieder darum, eine Transformation zu meistern: die digitale. Durch generative AI wurde der Anpassungsdruck nochmals spürbar erhöht.

Bis Ende 2025 müssen wir Antworten finden, in welchen Bereichen wir KI einsetzen können, um nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu generieren. Erste Ansätze haben wir schon entwickelt, die es nun umzusetzen gilt. Dabei wollen wir auch alle unsere Mitarbeiter:innen mitnehmen und allfällige Ängste abbauen.

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