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Der Wachstumshunger in Osteuropa ist ungebremst. Mit Großinvestitionen in Infrastruktur, Tourismus und Kernenergie demonstriert die CEE-Region ein starkes ökonomisches und gesellschaftliches Selbstbewusstsein.
Etwa 40 Kilometer außerhalb von Polens Hauptstadt Warschau entsteht ein neuer Megaflughafen. Der Centralny Port Komunikacyjny, kurz CPK, soll in Baranów jährlich bis zu 34 Millionen Passagiere abfertigen können. Kostenpunkt: rund neun Milliarden Euro.
Der Megaflughafen ist nur eines von vielen Beispielen, die zeigen, wie die Länder in Osteuropa mit Milliarden-Investitionen in Großprojekte Wachstum fördern. Vor allem 2025 wird, auch dank sinkender Zinsen, wieder ein Investitionsschub erwartet, sei es im Infrastrukturbereich, im Tourismus oder auch im Energiesektor. Großprojekte sind in Osteuropa leichter umzusetzen. Zum Teil, weil Regierungen weniger demokratisch agieren. Auch weil Umweltauflagen nicht so restriktiv sind wie in Mitteleuropa. Nicht zuletzt aber, weil die Bevölkerung Ostereuropas immer noch nach mehr Wohlstand strebt. Und Großprojekte werden daher mehrheitlich begrüßt und nicht bekämpft.
Das Flughafenprojekt bei Warschau demonstriert daher nicht nur das neue Selbstbewusstsein Polens, es markiert auch den Anspruch, zu einem der wichtigsten Geschäftszentren Europas zu werden. Das Land an der Weichsel hat sich dank EU-Förderungen und dynamischer Wirtschaftspolitik zum Wachstumsmotor Europas entwickelt. Die Europäische Kommission hat zum Jahresende 2024 weitere 9,4 Milliarden Euro aus dem Wiederaufbaufonds genehmigt. Auch für die Vienna Insurance Group, die in 30 CEE-Ländern präsent ist, ist das Land, in der die wirtschaftspolitisch und weltanschaulich liberale sowie EU-freundliche Bürgerplattform unter Donald Tusk regiert, ein wesentlicher Faktor. „Besonderen Fokus legen wir auf Polen, wo auch das Wirtschaftswachstum 2025 bei 3,7 Prozent liegen soll. Wir haben uns in diesem Jahr durch Zusammenlegungen von Gesellschaften in Polen neu aufgestellt und sind mit drei starken und innovativen Unternehmen auf dem sehr wettbewerbsintensiven polnischen Markt bestens positioniert“, beschreibt Hartwig Löger, CEO der VIG, das Engagement in Polen.
Polen wächst dreimal schneller als der EU-Durchschnitt und ist zugleich Primus inter Pares in einigen Ländern Osteuropas. Denn auch die anderen für Österreich wichtigen Visegrád-Staaten Tschechien, die Slowakei, Ungarn und Slowenien werden nach Einschätzung des Wiener Instituts für internationale Wirtschaftsforschung wiiw ihr Wachstum 2025 auf 3,1 Prozent steigern.
Doch natürlich bleibt auch die CEE-Region nicht von den wirtschaftlichen Problemen Kerneuropas verschont. Zu eng ist die wirtschaftliche Verflechtung mittlerweile. „Die Krise in Deutschland lastet wie ein Mühlstein auf vielen Volkswirtschaften der Region und begrenzt ihre Wachstumsaussichten“, stellt der stellvertretende wiiw-Direktor Richard Grieveson fest.
Das manifestiert sich auch in der sinkenden Produktion in der Automobilindustrie, deren Exporte etwa in der Slowakei rund ein Drittel der Wirtschaftsleistung ausmachen, und auch in Tschechien, Slowenien und Ungarn etwa 15 Prozent des BIP entsprechen. Haupttreiber des Wachstums in den EU-Mitgliedern Ostmitteleuropas bleibt jedenfalls der private Konsum aufgrund stark steigender Reallöhne. Und staatlich finanzierte Großprojekte.
Der Ausblick auf die Entwicklung von Russland und der Ukraine ist laut wiiw schwierig. Wie sich der Angriffskrieg Russlands weiterentwickelt, ist nicht vorherzusehen. Aktuell ist die Wirtschaft der Ukraine vom Krieg schwer gezeichnet. Im Falle eines Wiederaufbaus, könnte sie aber wieder stark wachsen.
Die Trends in Osteuropa
WACHSTUM. Die Staaten Ost-europas werden 2025 im Schnitt mit mehr als drei Prozent deutlich stärker wachsen als die Wirtschaft Mitteleuropas.
INVESTITIONEN. Nach der Zurückhaltung 2024 werden Großinvestitionen 2025 wieder zunehmen. Die Bevölkerung steht großen Projekten positiv gegenüber.
PRIVATER KONSUM. Neben den Investitionen von Unternehmen und Regierungen sind die Ausgaben der privaten Haushalte der wichtigste Treiber für Wachstum.
FÖRDERUNGEN. Brüssel will mit der Vergabe von Fördermitteln den Demokratisierungsprozess steuern. Das EU-freundliche Polen erhielt zuletzt neun Milliarden Euro.
ATOMKRAFT. Osteuropa treibt den Umstieg von fossiler Energie auf Kernenergie voran. Die Kosten für die Errichtung der Atomkraftwerke liegen bei 130 Milliarden Euro.
Der ungarische Regierungschef Viktor Orbán hat sich zum Ziel gesetzt, als strategisch betrachtete Sektoren der Volkswirtschaft unter die Kontrolle des Staates oder ihm nahestehender Unternehmen zu bringen. Der Liszt Ferenc International Airport in Budapest, der am schnellsten wachsende Flughafen Europas, ist ein strategisches Großprojekt. Mehrheitseigentümer des Flughafens war bis vor Kurzem die einem kanadischen Pensionsfonds gehörende AviAlliance. Doch nun wurde der Flughafen nach Druck auf den früheren Eigentümer verstaatlicht. Er wurde von einem Konsortium aus der ungarischen Staatsgesellschaft Corvinus Zrt. (ihr gehört auch die Privatuniversität Modul am Kahlenberg) und dem französischen Co-Investor Vinci Airports übernommen. Der Kaufpreis liegt bei gut drei Milliarden Euro. Bis 2030 soll das jährliche Passagieraufkommen auf 20 Millionen gesteigert werden und 2025 der erste Spatenstich für den Bau eines dritten Terminals am Flughafen erfolgen.
Ein weiteres Großprojekt in Ungarn ist das Le Primore, das größte Premium-Spa-Hotel des Landes am Hévíz-See, einem der einzigartigsten Thermalseen Europas. Der sechsstöckige Hotelkomplex soll 285 Zimmer und Penthouse-Suiten im obersten Stock haben. Errichtet wird der 90 Millionen Euro teure Luxus-Spa-Komplex von einer privaten Gruppe, aber der ungarische Staat schießt ein Viertel der Gesamtkosten über Förderungen zu. Mit der Eröffnung des Hotels werden mehr als 300 neue Arbeitsplätze geschaffen und ein Wachstumsschub für die Region entstehen.
Eine große Herausforderung für Osteuropa dürfte noch der Umstieg von Kohle auf Atomstrom als Energielieferant werden. Er wird mit Großprojekten stark vorangetrieben. In Tschechien beispielsweise war vor einem Jahr noch ein Atomreaktor geplant. Doch dann erklärte Regierungschef Petr Fiala, dass es nicht einer, sondern vier Reaktoren werden sollen, Dafür soll es sich aber um sogenannte „Mini-AKW“ handeln. Beim Bau von vier Blöcken kommt ein Reaktor im Vergleich zum Bau nur eines Blocks um bis zu 25 Prozent günstiger, so die Begründung. Polen hat sogar sechs Reaktoren in Planung. Nach einem Bericht des Nachrichtendienstes Bloomberg sollen sich die gesamten Investitionskosten für den Ausbau der Atomkraft in Osteuropa auf rund 130 Milliarden Euro belaufen. Was die Frage der Finanzierung aufwirft.
In der EU-Taxonomie-Verordnung wird Atomstrom unter gewissen Auflagen als nachhaltige Energiegewinnung qualifiziert, auch wenn dem manche Länder wie etwa Österreich nicht zustimmen. Die EU-Kommission hat jedoch bereits staatliche Beihilfen für den Bau und Betrieb eines neuen Atomreaktors am südmährischen Standort Dukovany in Tschechien genehmigt. Wohl nicht ganz ohne Eigennutz. Das US Unternehmen Westinghouse, das lange als Favorit galt, schied überraschend aus. Nun sind nur noch der Außenseiter KHNP aus Südkorea und EDF aus Frankreich im Rennen.
Der Schritt nach Osten begann vor 35 Jahren
Die VIG begann 1990 als erste Versicherung die Expansion in die CEE-Region. Dem Pionier folgte eine Reihe heimischer Unternehmen.
Im Oktober 2025 werden es 35 Jahre, dass die damalige Wiener Städtische Versicherungsgruppe (heute Vienna Insurance Group) als Pionier den ersten Schritt in die Versicherungsmärkte Zentral- und Osteuropas gesetzt hat. Die Wiener Städtische Versicherung, beteiligte sich mit einer Investitionssumme von 15,4 Millionen Schilling, heute umgerechnet eine Million Euro, an der neu gegründeten Genossenschaftsversicherung Kooperativa-Tschechoslowakische Versicherungs AG. Treibende Kraft dahinter war der heutige VIG-Aufsichtsratspräsident Günther Geyer: „Wir haben mit der Beteiligung in der damaligen Tschechoslowakischen Republik echtes Neuland betreten. Denn niemand wusste, wie sich der wirtschaftspolitische und demokratische Weg der kommunistisch geführten Länder nach der Ostöffnung entwickeln würde, die heute als größter politisch-ökonomischer Transformationsprozess des ausgehenden 20. Jahrhunderts gesehen wird.“
Dem Beispiel folgten bald viele anderen heimische Unternehmen aus dem Finanzdienstleistungsbereich – mit großem Erfolg. Im Jahr 2000 etwa erwarb die Erste Bank eine Beteiligung an der Ceská sporitelna, der größten Privatkundenbank der Tschechischen Republik. Auch der Raiffeisen-Bankensektor startete eine erfolgreiche Osteuropaexpansion.
Damit wurde auch der Weg für zahlreiche heimische Unternehmen in den CEE-Raum geöffnet, die dort einen Finanzpartner aus Österreich vorgefunden haben.