Öffentliche Aufträge sind ein mächtiger Hebel, um die ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit voranzutreiben. Doch dafür muss man bei Ausschreibungen engagierte Unternehmen stärker belohnen, fordert Vergabespezialist MARTIN SCHIEFER.
trend.: Herr Schiefer, täuscht der Eindruck, dass das Vergaberecht eine trockene und sehr bürokratische Materie ist?
Martin Schiefer: Ja, das ist absolut falsch. In der Realität ist das Vergaberecht eines der spannendsten juristischen Arbeitsfelder. Denn hier wird Zukunft gestaltet.
Wie meinen Sie das?
Mit Beschaffung und Auftragsvergabe verfügen Auftraggeber über einen sehr wirkungsvollen Hebel, um zukunftsorientiertes, sozial gerechtes und verantwortungsvolles Wirtschaften gegenüber Umwelt und Gesellschaft zu fördern. Hier bietet speziell das Vergaberecht enorme Gestaltungsmöglichkeiten.
Was sind die aktuellen Herausforderungen bei Auftragsvergaben?
Angesichts der Klimakrise werden für öffentliche Auftraggeber Themen wie EU-Taxonomie und ESG, also die Berücksichtigung ökologischer und sozialer Kriterien sowie generell verantwortungsvolles und nachhaltiges Wirtschaften immer wichtiger. Nur ein Beispiel: Ist es mir als Auftraggeber bei einem Immobilienprojekt mit der Kreislaufwirtschaft ernst, muss die Frage des Rückbaus und der Wiederverwertung der verwendeten Baumaterialien wichtiger Bestandteil der Ausschreibung sein. Die Möglichkeiten des Vergaberechts sind noch lange nicht ausgeschöpft, wir stehen da erst am Anfang. Hinzu kommen die steigenden Compliance-Vorschriften und Transparenzvorgaben, beides wird die Bedeutung von Vergabeverfahren noch erhöhen.
Schiefer Award 2023: Save the Date!
Die Besten der Branche verdienen eine besondere Anerkennung und genau dafür steht unser Schiefer Award.
Erstmalig geben wir am 15. November 2023 im MAK - Österreichisches Museum für angewandte Kunst / Gegenwartskunst Vergaberecht eine Bühne. Wir prämieren Organisationen und Personen, die entlang des Vergabeprozesses einen herausragenden Beitrag leisten – von der ersten Idee bis hin zum erfolgreichen Abschluss. Seien Sie dabei und erleben Sie live, wie wir Vergaberecht neu denken und damit die Zukunft gestalten.
Welche Rolle kann Ihre Kanzlei dabei spielen?
Unser Anspruch ist es, das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass mit jeder einzelnen öffentlichen Ausschreibung und Auftragsvergabe erwünschte gesellschaftliche und ökologische Entwicklungen vorangetrieben werden können – oder eben auch nicht, wenn man diese Chance auslässt. Zudem sehe ich es als unsere Aufgabe an, für jedes Projekt die passende maßgeschneiderte Lösung zu finden. Bei öffentlichen Projekten sind ja vertraglich die verschiedensten Konstellationen möglich, von Public-Private-Partnership (PPP) über strategische Partnerschaften bis zu Generalunternehmen und alternativen Vertragsmodellen.
Welche wirtschaftliche Bedeutung haben öffentliche Aufträge?
Mit einem Volumen von rund 62 Milliarden Euro pro Jahr sind öffentliche Aufträge ein wichtiger Treiber der österreichischen Wirtschaft. Was diese Wirkung noch verstärkt: Öffentliche Vergaben sind oft antizyklisch und wirken wie ein Investitionsprogramm, gerade wenn die Wirtschaft insgesamt schlechter läuft. Deshalb ist es ja so wichtig, dieses Volumen richtig einzusetzen, also im Sinne einer nachhaltigen Wirtschaft, also Investitionen in Bildung, in die Digitalisierung, in das Gesundheitswesen. Dazu gehört zum Beispiel auch die Berücksichtigung regionaler Lieferanten und Dienstleister.
"Du machst NUR Vergaberecht?"
Was dir niemand über #Vergaberecht und deine Karriere sagt? Das verrät Vergaberechtsexperte Martin Schiefer von Schiefer Rechtsanwälte in der aktuellen Folge des Paragraphinnen-Podcasts. Praxisnahe, inspirierende Einblicke in die spannende Welt des Vergaberechts und das Kanzleileben sowie Tipps für Berufseinsteiger:innen inklusive. Viel Spaß beim Zuhören. Abrufbar ist die Folge hier: https://spoti.fi/43W1kbb.
Wir sperren demnächst in Linz einen weiteren Standort auf, neben dem Hauptsitz in Wien ist das der sechste Standort – auch wir betreiben erfolgreich Regionalisierung! Intern startet ein neues Förder- und Mentoringprogramm, das junge Juristinnen und Juristen „partnerfit“ machen soll, sie also auf eine Rolle als Partner der Kanzlei vorbereiten soll. Und für das Vergaberecht insgesamt muss es darum gehen, Unternehmen, die nachhaltig und sozial fair wirtschaften, stärker zu belohnen als bisher. Nur so können wir die Klimawende schaffen und die Gesellschaft in die richtige Richtung weiterentwickeln. Daran will ich mit meinem Team aktiv mitarbeiten. Denn Vergaberecht bedeutet ja Gestaltung.