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Öffentliche Aufträge als Treiber der Transformation

In Kooperation mit Schiefer Rechtsanwälte.
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Aktualisiert
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4 min

Martin Schiefer

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Bei öffentlichen Aufträgen darf es nicht nur um Preis und Qualität gehen. Vielmehr müssen auch Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt werden, fordert Vergaberechtsspezialist Martin Schiefer.

trend.: Welche Rolle spielen öffentliche Aufträge für Österreichs Wirtschaft?

Martin Schiefer: Bund, Länder und Gemeinden geben jährlich rund 62 Milliarden Euro für Beschaffungs- und Infrastrukturprojekte aus. Das sind immerhin 18 Prozent des österreichischen BIPs, ist also alles andere als unbedeutend.

Was ändert sich bei der Auftragsvergabe gerade?

In der Vergangenheit spielten umweltbezogene und nachhaltige Kriterien bei Beschaffungen meist nur eine untergeordnete Rolle bei der Ermittlung der Bestbieter. Meist standen ausschließlich Preis und Qualität im Vordergrund. Aber das ändert sich gerade rasant.

In welche Richtung?

Auftraggeber erkennen zunehmend, dass sie mit Beschaffung und Auftragsvergabe über einen sehr wirkungsvollen Hebel verfügen, um zukunftsorientiertes, sozial gerechtes und verantwortungsvolles Wirtschaften gegenüber Umwelt und Gesellschaft im Sinne der ESG-Kriterien zu fördern. So können sie bei der nachhaltigen, ökologischen Transformation der Wirtschaft ein Treiber sein.

Was bedeutet das konkret?

Mit jeder einzelnen Ausschreibung kann eine Körperschaft zum Beispiel die Energiewende oder die Kreislaufwirtschaft ­vorantreiben. Dann müssen eben Fragen eines möglichen Rückbaus und der Wiederverwertung der verwendeten Baumaterialien wichtige Kriterien der Ausschreibung sein. Wie lässt sich die maximale Energieeffizienz eines Gebäudes erreichen? In welchem Umfang können Baumaterialien regional beschafft werden, um lange Transportwege zu vermeiden? All das sind mögliche Aspekte, die in einer Ausschreibung berücksichtigt werden können – und meiner Meinung nach berücksichtigt werden müssen.

Reichen die dafür notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen?

Weitgehend ja. Ein Beispiel ist die „Clean Vehicles Directive“. Sie schreibt bestimmte Prozentsätze an „sauberen Fahrzeugen“ in einer Flotte vor. Zudem sind wichtige öffentliche Auftraggeber bei gewissen Liefer- und Dienstleistungsaufträgen verpflichtet, Energie­effizienz einzufordern. Und das ist eine wirklich wichtige Entwicklung. Denn mit Nachhaltigkeit und Regionalität lassen sich Gemeinden und Regionen per Ausschreibungen wesentlich ­stärken. Etwa indem mit öffentlichen Aufträgen regionale Unternehmen die Möglichkeit erhalten, sich weiterzuentwickeln. Dabei geht es auch um Ermutigung: Wenn jene Unternehmen, die ESG-Kriterien ernsthaft berücksichtigen, bessere Chancen bei der Auftragsvergabe haben, so schaffen sie sich nicht nur einen echten Wettbewerbsvorteil, sondern ermutigen auch andere Unternehmen, in diese Richtung zu gehen.

Werden Nachhaltigkeitskriterien in öffentlichen Ausschreibungen wichtiger?

Davon bin ich absolut überzeugt. Es ist schon jetzt zu sehen, dass immer mehr ESG-Kriterien – also über die Umwelt hinaus auch soziale Kriterien sowie Kriterien der verantwortungsvollen Unternehmensführung – in die Strategiepläne der öffentlichen Hand einfließen. Und das ist von zentraler Bedeutung für die Gestaltung der Zukunft. Denn Schwerpunkte wie ­Regionalität, kurze Lieferketten und nachhaltiges Wirtschaften in den Ausschreibungen können wesentlich zum Klimaschutz beitragen.

Was muss verbessert werden?

Als Lenkungsinstrument verstanden, kann das Vergaberecht die Zukunft positiv beeinflussen. Doch wir schöpfen die Möglichkeiten des Vergaberechts noch lange nicht aus, wir stehen da erst am Anfang. An den Gesetzen liegt das nicht. Die gesetzlichen Möglichkeiten für mehr Nachhaltigkeit in der Beschaffung sind im Wesentlichen vorhanden. Aber es mangelt oft am Willen der einzelnen Akteure, diese Möglichkeiten zu nutzen. Und das ist schade, denn gerade die öffentliche Hand sollte bei den ESG-Kriterien eine Vorreiter- und Vorbildrolle einnehmen.

Wir denken Vergaberecht neu
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