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Russische Konzerne und Oligarchen in Österreich

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Das Heldendenkmal der Roten Armee am Wiener Schwarzenbergplatz
Rund um das Heldendenkmal am Wiener Schwarzenbergplatz wickeln etliche russische Großkonzerne ihre diskreten Milliardengeschäfte ab.©Thomas Ledl / Creative Commons
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Österreich steht bei der russischen Business-Elite hoch in Kurs. Der Schwarzenbergplatz in Wien ist ein diskretes Zentrum vieler russischer Geschäfte. Konzerne wie Sberbank, Lukoil, Gazprom oder Sibur steuern von hier aus ihr internationales Business.

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Der Schwarzenbergplatz in Wien ist eines der Zentren russischer Präsenz in Österreich. Von weitem sichtbar ist Denkmal zu Ehren der Soldaten der Sowjetarmee mit seiner 20 Meter hohen Säule und dem Hochstrahlbrunnen. Es wurde 1945 zur Erinnerung an die rund 17.000 bei der Schlacht um Wien zu Ende des Zweiten Weltkriegs gefallenen russischen Soldaten errichtet.

Die in diesen Tagen etwas befremdliche russische Inschrift an der Kolonnade lautet übersetzt: "Ewiger Ruhm den Helden der Roten Armee, die gefallen sind im Kampf gegen die deutsch-faschistischen Landräuber – für die Freiheit und Unabhängigkeit der Völker Europas."

Hier am und um den Schwarzenbergplatz konzentrieren sich zahlreiche russische Geschäfte großer Unternehmen und Konzerne. Und auch die russische Botschaft in der Reisnerstraße ist nur wenige Schritte entfernt.

Sberbank Europe AG

So hat etwa am Schwarzenbergplatz 3 die Sberbank Europe AG ihren Firmensitz. Die Tochter der russischen Staatsbank (Sberbank of Russia), die bis Ende Februar 2022 von hier aus europaweit ihre diskreten Geschäfte abwickelte und auch ihre Beteiligungen in Kroatien, Tschechien, Bosnien und Herzegowina, Serbien, Slowenien und Ungarn managte.

Bis die Bank durch den Krieg in der Ukraine und die in der Folge beschlossenen Sanktionen der EU und der USA gegen russische Unternehmen von einem Tag auf den anderen in Schieflage kam und ihr die österreichische Finanzmarktaufsicht FMA mit 1. März 2022 die Fortführung des Geschäftsbetriebs untersagte.

Das Aus der Sberbank Europe AG und ihre Insolvenz ist keine Kleinigkeit. Den letzten verfügbaren Geschäftsdaten aus 2020 zufolge lag die Bilanzsumme der Bank mit ihren 284 Mitarbeitern bei 3,6 Milliarden Euro und die der gesamten Gruppe, die über 3.900 Mitarbeiter beschäftigte, bei knapp 13 Milliarden Euro. Die Bank hatte rund 740.000 Kunden und 188 Filialen. Vorstandschefin war seit Juli 2018 die 1967 geborene Sonja Sarközi, die erst im Juni 2020 von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck mit dem Großen Ehrenzeichen für die Verdienste um die Republik Österreich geehrt wurde.

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Sonja Sarközi (re.) bei der Verleihung des Großen Ehrenzeichens der Republik Österreich (8. Juni 2020)

 © Andreas Tischler / Sberbank Europe AG

Die Pleite der Europa-Tochter der größten russischen Bank kommt auch den heimischen Banken teuer zu stehen, denn die Einlagen der 740.000 Kunden sind jeweils bis zu einem Betrag von 100.000 Euro durch die heimische Einlagensicherung für den Insolvenzfall abgesichert. Finanziert wird diese Einlagensicherung von den österreichischen Banken. Im Falle der Sberbank müssen in Summe 913 Millionen Euro an die Kunden ausgezahlt werden.

Siegfried Wolf, Oleg Deripaska und die STRABAG

Während das weitere Management der Sberbank Europe AG in der heimischen Öffentlichkeit weitgehend unbekannt ist, kennt man den Aufsichtsratschef der Bank sehr gut. Es ist kein geringerer als der Unternehmer Siegfried Wolf.

Wolfs Russland-Connections sind sehr intensiv. So managte er lange Jahre als CEO von Magna International auch die Geschäfte des Autozulieferers in Russland. In den Nuller-Jahren, zur Zeit als Wolf CEO von Magna International war, beteiligte sich auch der russische Magnat Oleg Deripaska mit 17 Prozent beteiligt an dem Unternehmen. 1,5 Milliarden Dollar hatte Deripaska seinerzeit für sein Aktienpaket gezahlt.

Wolf wiederum verließ im September 2010 Magna, um in der Folge Aufsichtsratschef von Deripaskas "Russian Machines" zu werden - dem vor allem durch die Marke "Wolga" bekannten Automobil-Hersteller, der zu Deripaskas Mischkonzern "Basic Element Ltd." gehört. In der Folge managte Wolf auch den Basic Element Teilkonzern Transstroy.

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Oleg Deripaska bei einem Empfang in St. Petersburg, 2008

 © Getty Images / Pascal Le Segretain

Mit Russian Machines (RM) und dem ebenfalls zu Basic Element gehörenden Fahrzeug- und LKW-Hersteller GAZ hatte Wolf jüngst wieder große Pläne geschmiedet. Wolf, der bis heute ständiger Vertreter der "Gruppa GAZ" mit Sitz im russischen Nischni Nowgorod ist, plante mit der Steyr Automotive GmbH - der früheren MAN Truck & Bus Österreich, die er im September 2021 übernommen hat, dicke Geschäfte zu machen.

Ob und inwieweit die Wolf-Pläne für die Steyr Automotive GmbH nun noch umsetzbar sind, das bleibt abzuwarten. Wolf ist aber nicht der einzige wichtige Geschäftspartner Deripaskas in Österreich. Über seine Rasperia Trading Limited mit Sitz in Zypern hält Deripaska 27,8 % der Anteile am heimischen Baukonzern STRABAG. Die Beteiligung hat er über seinen Baukonzern SIBAL im April 2007 für mehr als eine Milliarde Euro erworben und seither nicht abgegeben. Zu den Vertrauten Deripaskas aus dem STRABAG-Umfeld zählen auch die Aufsichtsratschefs des Baukonzerns, der frühere Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und der Raiffeisen Holding Niederösterreich-Wien Vorstand Erwin Hameseder sowie Hans Peter Haselsteiner.

Lukoil International

Gleich im Nachbarhaus der Sberbank Europe AG, an der Adresse Schwarzenbergplatz 5, hat der private russische Ölkonzern Lukoil seine internationale Dependance eingerichtet, die Lukoil International GmbH.

Die Lukoil International GmbH ist die Drehscheibe für das Auslandsgeschäft des Ölkonzerns und wurde erst im Jahr 2017 mit einer 6,2 Milliarden Euro schweren Kapitalerhöhung ausgestattet. "Als weltweit tätiger Konzern freuen wir uns, seit über 20 Jahren in Österreich ein stabiles und günstiges Umfeld für unsere Auslandsaktivitäten in mittlerweile über 40 Ländern mit mehr als 17.000 Mitarbeitern gefunden zu haben", erklärte Alexander Matytsyn, CEO der Lukoil International GmbH in Wien, damals.

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 © wko.at

Auch der Lukoil-Konzern, bei dem mit Wolfgang Schüssel ein weiterer früherer österreichischer Bundeskanzler ein Aufsichtsratsmandat hält, steht auf der Liste der russischen Konzerne, gegen die das US Department of Commerce analog zur Europäischen Union grundsätzliche ölindustriebezogene Sanktionen erlassen hat.

Der zweitgrößte Ölproduzent Russlands zeigt sich allerdings unglücklich mit dem Krieg in der Ukraine. Lukoil forderte jüngst die schnellstmögliche Beendigung. In einer Erklärung auf der Website des Unternehmens heißt es, man sei besorgt über die „tragischen Ereignisse in der Ukraine“ und unterstütze die Verhandlungen zur Beendigung des Konflikts.

Gazprom

Ebenfalls an der Adresse Schwarzenbergplatz 5 firmiert die Gazprom Neft Trading GmbH, die im Erdgashandel mit ein paar Dutzend Mitarbeitern jährlich Milliarden umsetzt. Wien ist der wichtigste Angelpunkt der Gazprom-Aktivitäten in Westeuropa. Von der österreichischen Hauptstadt aus agiert ein verzweigtes Firmennetzwerk. So sind die Gazprom Neft Trading, Gazprom Germania sowie die Gazprom Export mit ihren zahlreichen Tochterfirmen bestens in Österreich verankert.

Auf Handelsgesellschaften, Gasspeichern, Lieferverträgen und Pipeline-Projekten liegt der Hauptfokus der Gazoviki, wie die Gazprom-Manager und ihre Mitarbeiter genannt werden. Gazprom ist auch mit der dem Wiener Investor Martin Schlaff nahestehenden Centrex in engster Verbindung, die wiederum an Gashandelsfirmen in Osteuropa und am Balkan mit bis zu 100 Prozent beteiligt ist. All diese Firmen verfügen über Briefkästen und Stiftungen auf Zypern, in Liechtenstein oder der Schweiz.

Vis-à-vis, an der Adresse Schwarzenbergplatz 16 ist wiederum die RAG Austria angesiedelt, die Rohöl-Aufsuchungs-Aktiengesellschaft mit Eigentümern EVN, Uniper, Energie Steiermark und Salzburg AG, die eng mit der russischen Gazprom verpartnert ist, unter anderem als Joint Venture Partner beim Erdgasspeicher Haidach bei Salzburg. Der ist mit einer Kapazität von 2,6 Milliarden Kubikmeter Erdgas der zweitgrößte Erdgasspeicher Mitteleuropas.

Sibur

Wieder nur einen Steinwurf entfernt, an der Prinz Eugen Straße 8-10, steuert der russische Petrochemie-Konzern Sibur über seine Sibur International GmbH seine internationalen Geschäfte. Von diesem Headquarter aus werden mehr als 1.500 Großkunden in über 80 Staaten Europas und Asiens und beliefert.

Auch Sibur ist ein Gigant in dem Business. Sibur ist Russlands größter Petrochemie-Konzern mit 26 über ganz Russland verteilten Produktionsstätten und rund 25.000 Mitarbeitern. Der Konzern verarbeitet rund ein Drittel des russischen Erdgases zu Produkten wie Kunststoffe, Dünger, Reifen oder Kautschuk. Zu den Eigentümern gehört auch Kirill Schamalow, der frühere Ehemann von Wladimir Putins Tochter Katerina Tichonowa.Schamalow, der früher auch die russische Regierung in Wirtschaftsfragen beriet, ist zudem ein Sohn von Nikolai Schamalow, einem Miteigentümer der Rossiya Bank.

Städte, Berge und Seen

Die russische Geschäftselite schätzt Österreich und seine Bundeshauptstadt jedoch nicht nur als sicherer Standort für diskrete Geschäfte. Der Rubel rollt landauf, landab auch in Tourismus-Regionen oder an exklusiven Wohn- und Zweitwohnsitzen.

In der Wiener Innenstadt am Kohlmarkt hat sich Roman Abramovich eingekauft. Der Noch-Eigentümer des Londoner Fußballclubs FC Chelsea, der mit einem russischen, einem israelischen und einem portugiesischen Reisepass in der Welt unterwegs ist und dessen Vermögen auf 12,5 Milliarden Dollar geschätzt wird, hat dort ein Haus um kolportierte 27 Millionen Euro gekauft. Ein zweites Anwesen besitzt er in dem idyllischen und als Red-Bull-Zentrale bekannten Fuschl am See.

Der frühere russische Vizepremier Igor Schuwalow, nun Vorsitzender Wneschekonombank, der ebenfalls sanktionierten russischen Bank für Außenwirtschaft, besitzt mit seiner Frau Olga ein prächtiges Anwesen in Burgau am Südufer des Attersees, das "Waldschlössl" mit 24.000 Quadratmeter Grund. Die Wneschekonombank verwaltet im wesentlichen die Auslandsschulden der Russischen Föderation und die Mittel der russischen staatlichen Rentenversicherungsanstalt.

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Elena Baturina mit ihrem Ehemann Yuri Luzhkow bei der "Mille Miglia" 2008

 © 2008 Getty Images

Auch das mondäne Kitzbühel ist bei der russischen Business-Elite sehr beliebt. Da wundert es wenig, dass eine gewisse Elena Baturina, die mit geschätzten 1,1, Milliarden Euro Privatvermögen aktuell als zweitreichste Russin gilt, in der Tiroler Bergidylle einen ihrer Lebensmittelpunkte hat und hier auch investiert.

Über ihre Saphros-Beteiligungsgesellschaft hat sie etwa im Jahr 2006 um 25 Millionen Euro den Kitzbüheler Nobel-Golfclub Eichenheim erworben. Gleich neben dem Golfplatz ließ Baturina um kolportierte 100 Millionen Euro das Luxushotel Grand Tirolia errichten, das mittlerweile an die deutsche Hotelkette Dorint weiterverkauft wurde.

Reich geworden ist Baturina, Witwe des früheren Moskauer Oberbürgermeisters Yuri Luzhkow, mit dem 1991 gemeinsam mit ihrem Bruder Viktor Baturin gegründeten Industrie-, Bau- und Immobilienkonzern Inteco, der in der Folge viele Aufträge der Stadt Moskau erhielt. Baturina ist auch an der Sberbank und an der Gazprom beteiligt.

Noch weiter im Westen, in Lech am Arlberg, steht das 5-Sterne-Boutique-Hotel "Aurelio". Eine Luxus-Destination mit Bentley-Shuttle und Heli-Skiing-Angebot für all jene, die gerne den Preis für Exklusivität zahlen. Das aktuell günstigste Angebot steht bei 4.440 Euro pro Nacht für ein Doppelzimmer. Das exklusive Heli-Skiing-Vergnügen ist da noch nicht mit eingerechnet. Hinter dem um 30 Millionen Euro errichteten und 2008 eröffneten Luxus Alpen-Hotel steht die in Zypern ansässige Dornton Limited, die bis Mitte Jänner 2022 wiederum niemand geringeren als dem bereits erwähnten Oleg Deripaska gehörte.

Allerdings steht das Aurelio weiterhin praktisch im Familienbesitz. Deripaska hat "Dornton Ltd." nämlich an die russische Hotelgruppe Gost (Deutsch: "Gast") verkauft, die ihm bis zum Erlass der US-Sanktionen gegen ihn im Jahr 2018 auch selbst gehörte. Seither ist Deripaskas Cousin Pavel Ezubo Eigentümer von Gost. Geschäftsführer ist Evgeny Tonkacheev, vormals Manager in Deripaskas Konzern "Basic Element".

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