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Der Wettlauf um den grünsten Stahl

In Kooperation mit der voestalpine.
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Aktualisiert
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11 min

Neue Perspektive. Der Plan ist gefasst, das Budget für den ersten Schritt freigegeben, die Marktsignale ermutigend: Mit dem greentec-steel-Projekt will die voestalpine die Transformation bewältigen.

©voestalpine
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Die voestalpine will mit ihrem wegweisenden greentec-steel-Projekt den stufenweisen Übergang von der alten in die neue Stahlwelt schaffen. Oberste Maxime bei der Dekarbonisierung: keine Abstriche bei der Qualität.

Die Firma Flender mit Sitz in Nürnberg produziert unter dem Namen Winergy Getriebe und Generatoren für Windkraftanlagen. Ein Boom-Geschäft: Bis 2030 erwartet das Unternehmen, das insgesamt über zwei Milliarden Euro umsetzt, mindestens eine Verdopplung der Umsätze in diesem Bereich.

Wer im Nachhaltigkeits-Business erfolgreich sein will, muss aber auch selbst in der Zulieferkette grün sein. Daher strebt Flender allein für das Jahr 2023 eine Verringerung des eigenen CO2-Fußabdrucks um 30 Prozent an. 95 Prozent der Teile werden zugekauft, das meiste davon ist Stahl. Von den Zehntausenden Tonnen pro Jahr soll spätestens 2030 ein Drittel grün sein, sagt der zuständige Flender-Manager Helmut Adlfinger: „Sollte mehr verfügbar sein, nehmen wir auch mehr.“

So wie Flender geht es Tausenden stahlverarbeitenden Unternehmen weltweit. Unter dem Druck des EU Green Deals wollen und müssen sie aktiv zur Dekarbonisierung beitragen. Bis 2030 sollen ja die Treibhausgasemissionen um mindestens 55 Prozent gesenkt werden. „Unsere Kunden im Bahninfrastrukturbereich, vor allem die westeuropäischen Bahnen, die zumeist Staatsbetriebe sind, müssen in den kommenden Jahren den strengen Vorgaben der Länder und deren Klimastrategien Folge leisten“, charakterisiert Franz Kainersdorfer die Ausgangslage, im Vorstand des Stahl- und Technologieunternehmen voestalpine für den Metal-Engineering-Bereich zuständig: „Unser grüner Stahl für Schienen und Weichen wird ein essenzieller Teil davon sein.“

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Grosskunde. Der Autozulieferer Magna hat „grünen Stahl in die Lieferkettenplanung fix eingepreist“, so Europa-Chef Günther Apfalter.

 © Michael Rausch-Schott

Doch auch in der privatwirtschaftlichen Autoindustrie wächst die Nachfrage. Zu den größten Stahlverarbeitern der Autowelt gehört etwa Cosma, eine Tochter des Autozulieferers Magna International. „Unsere Kunden wie BMW und Mercedes sprechen uns bereits auf das Thema an, wir haben grünen Stahl fix in unsere Lieferkettenplanung eingepreist“, sagt Magna-Europa-Chef Günther Apfalter, der bei Magna Steyr in Graz etwa die BMW-5er-Serie und die Mercedes-G-Klasse fertigt.

In der Stahlwelt wurden deshalb in den letzten Jahren mögliche technologische und wirtschaftliche Wege analysiert, wie sich diese Schlüsselindustrie gleichsam am eigenen Schopf aus dem CO2-Sumpf ziehen kann. Denn klar ist: Stahl ist auch in der postfossilen Welt unverzichtbar, ob in Windrädern, E-Autos oder Schienen. Ändern muss sich lediglich die Art, wie Stahl hergestellt wird. Motto: Kohle und Gas nach und nach raus, Grünstrom und grüner Wasserstoff rein. Die Schlüsselfragen: Ziehen die Kunden auch mit, wie viel sind sie bereit, für das Grün-Label zu bezahlen, und wie stark CO2-reduziert muss der Stahl eigentlich sein?

greentec steel

© voestalpine

Die voestalpine mit Sitz in Linz hat sich nach gründlicher Vorbereitung nun für einen Weg entschieden. Der greentec steel getaufte Plan sieht vor, an den beiden österreichischen voestalpine-Standorten Linz und Donawitz in den nächsten Jahren die bisherigen Hochöfen, fünf an der Zahl, sukzessive durch so genannte Elektrolichtbogenöfen (Electric Arc Furnaces, EAF) zu ersetzen. Das soll ab 2027 (siehe Timeline auf Seite 35) bereits eine Reduktion der CO2-Emissionen von 30 Prozent bringen, in Summe vier Millionen Tonnen pro Jahr.

„Das ist der größte Umbruch für die Industrie und für uns als Unternehmen seit den 1950er-Jahren“, sagt CEO Herbert Eibensteiner. 1949 hatte die damalige VÖEST mit dem Linz-Donawitz-(LD-)Verfahren, auch als Sauerstoffaufblasverfahren bezeichnet, eine Umwälzung in der weltweiten Stahlherstellung initiiert. Dass auch heute Linz und Donawitz im Zentrum der Transformation stehen, passt da gut dazu.

Size matters.

Der offizielle Startschuss ist nach mehrjährigen Vorbereitungsarbeiten Ende März gefallen, als der voestalpine-Aufsichtsrat für die erste Phase – je ein EAF soll bis 2027 gebaut und in Betrieb genommen werden – ein Investitionsbudget in Höhe von 1,5 Milliarden Euro freigegeben hat. Vorbehaltlich offener Förderfragen sowie unter der Annahme, dass bis dahin ausreichend Grünstrom und Netzkapaztiät zur Verfügung steht, kann also „Österreichs größtes Klimaschutzprogramm“ starten, wie es Eibensteiner gerne bezeichnet.

Wandel. Für voestalpine-CEO Herbert Eibensteiner ist greentec steel „das größte Klimaschutz­programm Österreichs.“ EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (r.) pusht den Green Deal.

Ist das eine zu vollmundige Behauptung? Mitnichten! Bei genauem Hinsehen ist Eibensteiners Slogan mehr eine Beschreibung als eine Werbung. Denn die voestalpine ist mit 9,4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent in Linz und weiteren drei Millionen Tonnen in Donawitz mit Abstand das Unternehmen mit dem höchsten CO2-Ausstoß des Landes. Wer aber einen hohen Berg abzutragen hat, der bewegt mehr als andere, wenn es ihm gelingt, einige große Felsblöcke abzusprengen. Mit anderen Worten: Size matters.

Um die erhofften Effekte der Transformation in Relation zu stellen: Der jährliche CO2-Ausstoß aller in Österreich zugelassenen 7,2 Millionen Kraftfahrzeuge vom Mopedauto bis zum Sattelschlepper beträgt rund 2,65 Millionen Tonnen. Zwei Öfen der voestalpine stellen das auf Anhieb in den Schatten.

Pfadfinder.

Was genau wird sich an den gewohnten Schauplätzen verändern? Bislang ging es darum, das im Hochofen gewonnene flüssige Roheisen im LD-Stahlwerk zu Rohstahl zu verarbeiten. Im Gegensatz zum LD-Verfahren, bei dem Kohle und Koks als Reduktionsmittel verwendet werden, kann der EAF ohne fossile Energieträger betrieben werden. Je nach Qualitätsanforderungen kommt dabei ein Mix aus Schrott, flüssigem Roheisen und HBI (Hot Briquetted Iron) zum Einsatz.

Die Big Player der Industrie wählen dabei durchaus unterschiedliche Wege zur Erreichung der Klimaziele. Prinzipiell gibt es zwei Typen von Pfaden: Die Vermeidung von CO2, indem statt Kohle und Koks Grünstrom und Wasserstoff eingesetzt werden, laut den Unternehmensberatern von Boston Consulting mit Emissions-Reduktionen im Vergleich zum klassischen Hochofen mit 33 Prozent bzw. 55 Prozent verbunden. Oder das Abscheiden und Speichern von CO2 – in der Fachsprache Carbon Capture and Storage (CCS) genannt, eine von den Größen der Branche bisher selten gewählte Methode.

Eine besondere Dynamik kommt ins Spiel, weil die Industrie von Newcomern heraus gefordert wird, die à la Tesla in der Autowelt auch die Stahlbranche aufmischen wollen (siehe Kasten rechts) und meist gleich auf Wasserstoff-basierte Lösungen setzen. Die voestalpine sammelt in einer Reihe von Forschungsprojekten, etwa H2 Future in Linz und SuSteel in Donawitz, bereits Erfahrungen zum Thema Wasserstoff, sieht sich aber in Zukunft weder als Rohstoff- noch als Energieproduzent, sondern weiterhin als Lieferant höchst qualitativer Stähle und Technologien. Für die Zeit nach 2030 gilt das Prinzip der Technologieoffenheit.

Grün und grüner.

Das Um und Auf sei, dass „der Qualitätsanspruch nicht leidet“, postuliert Othmar Schwarz, Partner der Beratungsfirma Simon-Kucher & Partner: „Wie die CO2-Reduktion erzielt wird, ist immer nur die Innovation on top.“ Am Ende wird der Markt das Tempo wesentlich bestimmen. Es werde darum gehen, zum richtigen Zeitpunkt die nötigen Mengen CO2-reduzierter Stähle bereitstellen zu können, um auch Preisaufschläge lukrieren zu können. Denn durch die Verteuerung der CO2-Zertifikate wird der heutige „graue“ Stahl in Zukunft teurer. „Es kann sicher einen First Mover Advantage geben“, sagt Schwarz.

Wasserstoff & Co. SuSteel-Anlage in Donawitz, Berater Othmar Schwarz: „Wie die CO2-Reduktion erzielt wird, ist immer nur die Innovation on top.“

Unklar ist dabei noch, in welchen Kundenindustrien sich die Nachfrage wie entwickeln wird – und wie die Endkonsumenten das Thema honorieren. Während Käufer von Waschmaschinen heute noch immer primär auf die Energieklasse, aber nicht auf den CO2-Fußabdruck des Produkts schauen, beginnt sich das bei Autokäufern bereits zu ändern. Wer mit dem E-Auto begonnen hat, dass er aus der eigenen PV-Anlage mit Strom versorgt, wird mit Sicherheit noch nach weiteren Möglichkeiten fahnden, nachhaltiger zu werden.

Die Signale sind jedenfalls ermutigend, von Winergy bis Magna. Dass lässt den für die Stahlsparte zuständige Vorstand Hubert Zajicek klar positiv auf die Transformation blicken: „Mit unseren innovativen Produktlösungen in der greentec-steel-Edition können wir bereits jetzt den steigenden Bedarf im Hochqualitätssegment für unsere Kunden abdecken und gleichzeitig unseren Beitrag zu den globalen Klimazielen leisten.“

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