Starke Einbrüche vom Höchststand von Aktien erzeugen Angst bei Anlegern - die laut Investmentlegende Ken Fisher schnell wieder verschwindet.
©iStockphotoDie starken Einbrüche haben Anleger von den Börsen vertrieben. Zu früh – denn der Bullenmarkt ist noch intakt.
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VERUNSICHERUNG. Trotz aller Verunsicherung der vergangenen Tage: Dies ist eine Korrektur und kein Bärenmarkt! Ein legendäres, häufig vergessenes Sprichwort besagt: „Bullenmärkte sterben leise und nicht mit einem Knall.“
Globale Aktien sind im Juli und August in nur 14 Handelstagen um fast zehn Prozent eingebrochen – ein Paukenschlag und eine rasche Abkehr vom Höchststand der meisten großen Indizes.
Im Mai lag der ATX auf Rekordhöhe und gab danach leicht nach, bevor Mitte Juli weltweit Volatilität einsetzte. Aber von den USA über die meisten europäischen Länder bis hin zu den Schwellenländern und anderen Ländern verzeichneten Aktien bis zum 16. Juli starke Erträge.
Der plötzliche Einbruch ist also stimmungsgetrieben – er ist lediglich eine Korrektur.
Die Ängste der Anleger sind bekannt: Sie sind bei Markteinbrüchen völlig normal, auch wenn sie nur auf Gefühlen beruhen.
BÄRENMARKT. Echte Bärenmärkte beginnen fast immer langsam. Die große Ausnahme war das Jahr 2020, als der Bärenmarkt durch die Covid-Lockdowns befeuert wurde. Ansonsten machen sich Bären jeweils gemächlich breit.
Seit fast 40 Jahren bezeichne ich den Aktienmarkt als den „großen Demütiger“. Er will alle möglichst stark, möglichst lange und möglichst kostspielig zum Narren halten. Er will Anleger mit stetig steigenden Aktien verführen.
Und dann setzt ein Bärenmarkt ein, der sich das Anleger-Geld über anfänglich leichte Einbrüche holt, die als Anlagechancen getarnt sind. Wenn Anleger dann in der Talsohle massive Einbußen verzeichnen, kommen sie sich töricht vor. Wieder und wieder! Der Markt wird sein Ziel nicht erreichen, wenn Anleger noch bei Höchststand mit voller Wucht vertrieben werden. Massive Einbrüche vertreiben Anleger zu früh vom Markt.
Eine grobe, aber gute Faustregel lautet: Während der ersten zwei Drittel eines Bärenmarkts wird nur ein Drittel des prozentualen Verlusts verzeichnet. Zwei Drittel der Verluste passieren im letzten Drittel. Langsam, dann schnell – so geht der „große Demütiger“ vor.
ANGST. Aber Korrekturen – starke Einbrüche vom Höchststand – erzeugen schnell Angst, um dann fast ebenso schnell wieder zu verschwinden. Darauf folgen ein Stimmungsumschwung und eine weitere Hausse. Die Trendwende nach Korrekturen entwickelt sich üblicherweise langsamer als ihr rapider Einbruch.
Betrachten Sie dafür US-Aktien, die die längste und genaueste Historie haben. Der S&P 500 hat seit 1925 fast 35 Korrekturen mit mindestens minus zehn Prozent vom Hoch zum Tief verzeichnet. Der Median-Einbruch betrug 13,6 Prozent über 2,1 Monate. Die Median-Erholung bis zum Breakeven-Punkt dauerte im Schnitt 2,5 Monate.
Der Anstieg nach einer Korrektur setzt sich allerdings häufig noch lange nach dem Break-even-Punkt fort. Die Median-Gewinne sechs Monate nach dem Tief an den Börsen: im Schnitt 22,9 Prozent. Und nach zwölf Monaten sogar 29,6 Prozent. Zwei Jahre nach dem Tiefpunkt liegt der Median-Gewinn bei 44 Prozent! Ein Verkauf während der dramatischen Korrekturen durch den „großen Demütiger“ kann bedeuten, dass Sie erhebliche Gewinne verpassen. Eine Demütigung!
BULLENMARKT. Die Ohnmacht zeigt: Derartige Trends sind global. Die Korrelation von US-Aktien zu Österreich beträgt 0,69. Wenn 1,00 ein identischer Trend ist und minus 1,00 das genaue Gegenteil, dann sollte ein Bullen-Neustart den ATX stützen.
Aktuell häufen sich die Schreckensgeschichten: Auflösung des Yen-Carry-Trades, schwache Kryptowährungen, Angst vor US-Rezession angesichts leicht steigender Arbeitslosenzahlen, die die „Sahm-Regel“ auslösen, sowie die geringe und zu späte Reaktion der EZB und der Fed.
Der Kandidatenwechsel der Demokraten beeinflusst die Umfragen, weg von einem Sieg Donald Trumps im November. All diese Faktoren treiben die Händler um. Ignorieren Sie sie! Es sind falsche Ängste.
Aktien können auf kurze Sicht natürlich weiter sinken. Aber bald schon wird dieser Bullenmarkt wieder nach oben tendieren.
Stirbt er zu guter Letzt, wird er nicht schnell, sondern – zur Freude des großen Demütigers – langsam kippen.
Der Gastkommentar ist trend. PREMIUM vom 23. August 2024 entnommen.
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Über die Autoren
Ken Fisher
Kenneth Lawrence Fisher, geb. 1950, ist Investment-Analyst und einer der erfolgreichsten Investmentberater der USA. Er ist zudem Autor zahlreicher Bücher zu den Themen Wirtschaft und Finanzen. Fisher ist Gründer und Vorsitzender von Fisher Investments, einer Firma für Finanzberatung und Vermögensverwaltung mit Sitz in Camas, Washington.