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Malik on Management: Vorsicht, Falle! 6 Management-Irrtümer

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18 min
Managemnet-Irrtümer: Verrennen Sie sich in in einem Irrglauben.
Managemnet-Irrtümer: Verrennen Sie sich in in einem Irrglauben.©Getty Images/iStockphoto
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Management- und Leadership-Experte Fredmund Malik rechnet mit den 6 größten Irrtümern und Fehleinschätzungen der Managementlehre ab.

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Wie ich schon öfter dargelegt habe, gibt es bezüglich Management eine ansehnliche Zahl von Meinungen, die ich für Irrtümer und Missverständnisse halte. Sie tragen zur Verwirrung bei und zu Fehlentwicklungen. Sie erschweren oder verunmöglichen eine vernünftige Einstellung zu einem der wichtigsten Berufe einer modernen Gesellschaft und ein praktisch brauchbares Verständnis für seine Funktion. Außerdem behindern sie eine wirksame Ausbildung.

1. Die Meinung, nur Top-Manager seien Manager.

Top-Manager sind Manager; das ist klar. Der Irrtum steckt im Wörtchen "nur". Dieses Missverständnis über Management engt den Blick ein auf die allerobersten Führungskräfte, auf die als Organe für Großunternehmen handelnden und als solche sichtbar werdenden Personen. Dieser Irrtum ist relativ weit verbreitet, und er ist schädlich. Er leistet der Illusion Vorschub, dass das, was dieser relativ kleine Personenkreis tut, typisch oder repräsentativ sei für Management als Ganzes.

Das Top-Management gehört ohne Zweifel zu Management, aber es ist nur ein Teil davon - und manche meinen, es sei nicht einmal der wichtigste. Anstelle der irreführenden Einschränkung auf die obersten Führungskräfte schlage ich vor, davon auszugehen, dass jeder, der managt, ein Manager ist, und zwar unabhängig von der Bezeichnung, die er oder seine Stelle trägt, unabhängig von Statussymbolen, dem Rang in der Organisation usw. Wer de facto Führungsaufgaben erfüllt, ist eine Führungskraft. Zum Ersten richtet sich der Blick dann auf ganz andere Personengruppen als nur die Top-Manager; und zweitens fällt die überaus große Zahl von Führungskräften, die es in der heutigen Gesellschaft gibt, ins Auge.

2. Die Meinung, nur wer Mitarbeiter hat, sei ein Manager.

Dieser Irrtum setzt Management gleich mit Menschenführung. Auch hier gilt, dass jemand, der andere Menschen zu führen hat, zweifellos ein Manager ist. Man kann Management aber nicht auf diesen Personenkreis und diesen Aspekt beschränken, ohne Wesentliches für das Funktionieren von Organisationen zu übersehen.

Was mit dieser Sichtweise ausgeklammert wird, sind alle jene Personen, die nicht wegen ihrer Unterstellten bedeutsam sind, sondern wegen des Beitrages, den sie für den Erfolg einer Organisation leisten. Es sind die vielen, zahlenmäßig stark zunehmenden Spezialisten, fast durchwegs Kopfarbeiter, für die die Tatsache, Mitarbeiter zu haben, eher Nebensache ist. Sehr oft haben sie überhaupt keine. Sie sind nicht wegen ihrer Mitarbeiter und deren Führung wichtig, sondern wegen ihrer persönlichen Expertise, ihrer speziellen Sachkenntnis.

Die Bedeutung zum Beispiel des Chef-Devisenhändlers einer Bank ergibt sich nicht aus der Zahl der ihm unterstellten Mitarbeiter. Dasselbe gilt für die Steuerexpertin eines international tätigen Unternehmens oder für die Chef-Designerin eines Modehauses. Ihre Bedeutung wird durch ihren Beitrag definiert. Management ist für Personen dieser Art nicht wichtig wegen der Führung anderer, sondern weil sie sich selbst führen müssen - dies vor allem deshalb, weil kaum jemand anderer ihre Tätigkeit gut genug kennt oder kennen kann, um sie zu führen.

Ohne Personen dieses Typs können nur noch ganz wenige Organisationen überhaupt funktionieren; und für immer mehr sind sie absolut erfolgsentscheidend. Man muss sie daher in die Definition von Führungskräften mit einschließen. Ihre Bedeutung für den Erfolg des Unternehmens ist diesen Personen sehr bewusst, was sie häufig nicht zu den angenehmsten Zeitgenossen macht. Dass sie Manager sind, wollen sie nicht immer wahrhaben, und sie davon zu überzeugen gehört zu den schwierigsten Aufgaben. Sie verstehen sich als Professionals; denken und handeln müssen sie aber wie Manager - bezogen auf sich selbst und ihr Wissen. Sie auszuklammern hätte in den meisten Fällen ernsthafte, in manchen katastrophale Folgen.

3. Die Meinung, nur Mitarbeiter seien zu führen.

Management ist zwar auch, aber nicht in erster Linie das Management von Untergebenen. So konnte man es früher sehen, und daraus hat sich der Irrtum ergeben, der sich hartnäckig hält, obwohl die Welt sich gerade in diesem Punkt gründlich geändert hat.

Ich stelle an Manager immer wieder die Frage, was ihr größtes Problem sei. In all den vielen Jahren haben nur wenige geantwortet, das sei die Führung ihrer Mitarbeiter, wie man es doch dem erwähnten Modell zufolge erwarten müsste. Fast ohne Ausnahme lautet die Antwort: Das ist mein Chef! Oder: Es ist der Chef meines Chefs. Oder es wird geantwortet: Das sind meine Kollegen.

Die Gründe für die Antworten liegen eigentlich auf der Hand - und es ist umso bemerkenswerter, dass der wirklichen Situation in Literatur und Ausbildung so wenig Rechnung getragen wird: Gegenüber den Mitarbeitern, nach unten also, ist Führung deshalb weniger problematisch, weil jede Führungskraft hier in letzter Konsequenz das Mittel der Weisung einsetzen kann - den Befehl. Nicht, dass ich das empfehle. Es sollte die Ultima Ratio sein, und sie sollte selten zum Einsatz gelangen. Das muss man aber gar nicht betonen, denn die Weisung wird schon des-halb selten einzusetzen sein, weil die Mitarbeiter nicht dumm sind. Sie lassen es in der Regel gar nicht darauf ankommen, dass ein Chef einen Befehl geben muss. Man arrangiert sich lange vorher.

Aber: Weder seinen Kollegen noch seinem Chef gegenüber kann man das Mittel der Weisung einsetzen. Gegenüber den Mitarbeitern hat man es wenigstens, auch wenn man es selten benötigt. Hier jedoch hat man es a priori nicht. Das ganze immer wieder propagierte anspruchsvolle Management-Arsenal - Kommunikation, Kooperation, Überzeugungsfähigkeit, Durchsetzungsvermögen usw. - braucht man nicht in erster Linie dort, wofür es empfohlen und vermittelt wird, nämlich für die Führung der Mitarbeiter. Man braucht es für die Führung der anderen Teile des organisatorischen Netzwerkes, in das man eingebunden ist, für das Management der seitwärts und nach oben gerichteten Beziehungen, also für das Management von Kollegen und von Chefs.

4. Die Meinung, Management sei eine Sache der Wirtschaft.

Dieser Irrtum hat schädliche Wirkung in zweifacher Hinsicht in den Organisationen außerhalb der Wirtschaft, also den Non-Profit- und Non-Government-Organisationen. Er führt erstens zur Meinung, was in der Wirtschaft funktioniere, muss in jeder Organisation funktionieren. Das stimmt nun ganz und gar nicht. Der Irrtum führt aber umgekehrt und zweitens auch dazu, dass wegen der Meinung, die Wirtschaft sei etwas völlig anderes als Organisationen, Dinge ungenutzt bleiben, die sehr wohl mit großem Vorteil von der Wirtschaft in andere Bereiche übernommen werden könnten.

Management ist nichts typisch "Wirtschaftliches". Es ist, entgegen einer weit verbreiteten Meinung, auch nicht in der Wirtschaft entstanden. Andere - frühere - Organisationen sind schon gemanagt worden, bevor es so etwas wie Wirtschaftsunternehmen gab. Was aber vielleicht am klarsten in der Wirtschaft deutlich wird, ist, dass eine systematische Anwendung von Management zu Erfolgen und Resultaten führt. Was am schnellsten, besten und leichtesten in der Wirtschaft zu sehen ist, ist die Wirkung von Management - die Erfolge von gutem und die Schäden von schlechtem Management.

Obwohl es gewisse Dinge gibt, die alle Organisationen von den Wirtschaftsunternehmen lernen und übernehmen können, darf das keineswegs zum Glauben verleiten, alles, was die Wirtschaft tut, sei richtig und brauchbar für die vielgestaltigen anderen Organisationen. Ein Krankenhaus, eine Verwaltungsbehörde, ein Forschungsinstitut sind in so grundlegenden Aspekten verschieden von den Organisationen der Wirtschaft, dass sie ihre eigenen Lösungen entwickeln müssen.

Umgekehrt gibt es Dinge, die die Wirtschaft von den Non-Profit-Organisationen lernen könnte, was wegen des hier besprochenen Missverständnisses auch übersehen wird. Zum Beispiel kann man nirgends besseres Personalmanagement sehen als in den gut geführten gemeinnützigen Organisationen.

5. Die Meinung, Management sei eine Sache der Psychologie.

Psychologie ist, das braucht kaum betont zu werden, für Management wichtig. Schädlich hingegen ist das, was man die Psychologisierung von Management nennen kann. Sie hängt erstens damit zusammen, dass Management, wie schon erwähnt, viel zu häufig auf die unmittelbaren zwischenmenschlichen Beziehungen reduziert, also ausschließlich als Menschenführung verstanden wird. Die Führung von Menschen ist, wie gesagt, ein Teil von Management, aber es gehört viel mehr dazu, nämlich die Gestaltung, Entwicklung und Lenkung einer Institution in ihrer Gesamtheit. Man kann den Teilaspekt der Menschenführung gar nicht verstehen, wenn man ihn aus diesem Kontext herauslöst.

Zum zweiten kommt es zur Psychologisierung dort, wo - meistens aufgrund sehr mangelhafter Kenntnisse sowohl über Management als auch über Psychologie - jede Schwierigkeit, jedes Problem, jeder Konflikt in ausschließlich psychologischen Kategorien wahrgenommen oder interpretiert wird. Man unterstellt ungeprüft, dass Probleme dieser Art psychologische Ursachen haben müssten, und folgerichtig werden auch die Lösungen in der Psychologie gesucht. Nach meiner Auffassung sind hingegen die allermeisten scheinbar psychologischen Schwierigkeiten darauf zurückzuführen, dass es an der handwerklichen Professionalität mangelt, dass die elementaren Aufgaben von Management gar nicht oder schlecht erfüllt werden. Da kann auch noch so viel und gute Psychologie nicht helfen.

6. Die Meinung, Management sei kulturabhängig.

Der letzte Punkt ist erfahrungsgemäß der umstrittenste. Dieser Irrtum ist als Folge der zunehmenden Befassung mit Unternehmenskultur entstanden, die ihre Wurzeln in den frühen achtziger Jahren hat. Er hat besonderen Auftrieb durch die Globalisierungsdiskussion erfahren. Der Gedanke der Kulturabhängigkeit ist nahe liegend und verständlich, aber ich halte ihn für falsch. Es liegt eine Verwechslung zwischen dem "Was" und dem "Wie" von Management vor. Was wirksame Führungskräfte tun, ist in allen Kulturen gleich oder doch sehr ähnlich. Wie sie es allerdings tun, das ist sehr stark abhängig unter anderem von Kultur, aber keineswegs nur von dieser.

So findet man in jeder gut geführten Organisation zum Beispiel klare Ziele und eine funktionierende Kontrolle, völlig unabhängig davon, ob es sich um eine italienische, spanische, mexikanische oder chinesische Organisation handelt. Wie man hingegen zu Zielen kommt, welche Ziele man sich setzt, wie man kontrolliert, das kann, was die äußeren Erscheinungsformen betrifft, in den einzelnen Kulturen sehr verschieden sein.

Selbst wenn man Kultur nicht, wie in diesem Beispiel, ethnisch respektive national-geografisch definiert, sondern nach anderen Kriterien, so gilt dasselbe: Ob High- oder Low-Tech-Unternehmen, wissens- oder arbeitsintensive Organisationen, Mode- oder Technikbranchen, Investitions- oder Verbrauchsgüter - das "Was" guten Managements ist gleich. Das "Wie" kann - übrigens auch in ein und demselben Land - sehr verschieden sein und ist es in aller Regel auch. Zum Beispiel sind die Äußerlichkeiten der Führung in einer italienischen Werkzeugmaschinenfirma sehr verschieden von jenen in einem italienischen Modeunternehmen.

Das verleitet viele zur Postulierung unterschiedlicher, eben kulturabhängiger Arten von Management. In Wahrheit trägt das nur zur Konfusion bei.

Es ist einfach schlechte Wissenschaft, wenn man sich vom Schein irreführen lässt und Form mit Substanz verwechselt.

Es gibt daher wenig Gründe, besonderes Aufhebens zu machen von interkulturellem Management, wenn man einmal von der Selbstverständlichkeit absieht, dass es in jedem Land bestimmte Sitten und Gebräuche gibt, die man als Sache elementarer Höflichkeit und Anpassungsbereitschaft erstens zu kennen und zweitens zu respektieren hat. Das hat aber nichts mit Management zu tun, sondern mit jenem Minimum an Kinderstube, Anstand und Kultiviertheit, die das Ergebnis einer den Namen verdienenden Erziehung ist. Ich gebe zu, dass das längst nicht mehr vorausgesetzt werden darf, im Wesentlichen wohl als Folge der stark gewachsenen Zahl von Managern, die eine moderne Gesellschaft braucht. Deswegen aber, weil es unerzogene und daher ungezogene Leute selbst in höheren Positionen gibt, von anderen Arten von Management zu sprechen ist ein grober Irrtum.

Dasselbe gilt für "internationales" Management. Weder dieses noch das Gegenteil, nämlich nationales Management, hat es je gegeben. Was es gibt, sind national oder international (respektive multinational) operierende Organisationen, übrigens nicht nur Wirtschaftsunternehmen. Ausschließlich national ausgerichtete und tätige Organisationen mögen - und werden - erhebliche und vielleicht unlösbare Probleme haben, wenn sie plötzlich international tätig werden wollen oder müssen. Das hat aber wenig zu tun mit Managementfragen, sondern viel eher zum Beispiel mit dem Fehlen von Kenntnissen über andere Länder, zum Beispiel Fremdsprachenkenntnissen, oder mit der Unfähigkeit, Fremdwährungsrisiken zu beherrschen oder eben Sitten und Gebräuche anderer Menschen und Länder zu respektieren.

Management ist richtig oder falsch, gut oder schlecht, fähig oder unfähig, aber nicht national oder international, mono- oder multikulturell.

Weitere Management-Tipps von Fredmund Malik finden Sie auf der Themen-Seite "Malik on Management"

Der Beitrag ist ursprünglich in der Reihe "Malik on Management" im Magazin trend. erschienen.

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