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Motivation - der oft überschätzte Faktor [Malik on Management]

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Motivation- der oft überschätzte Faktor

Motivation

©Elke Mayr
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Motivation ist eines der zentralen Themen der Managementausbildung. Aber Patentrezepte, die Menschen zu Leistungen bewegen, gibt es nicht. Nur der Wille dazu zählt. Fredmund Malik erklärt, wie Fühungskräfte dafür den Boden aufbereiten können.

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Motivation ist eines der zentralen Themen der Managementausbildung der letzten 40 bis 50 Jahre. Kaum ein anderes Thema hat eine stärkere Beachtung in den Sozialwissenschaften gefunden, und über keines wurden so viele Untersuchungen gemacht.

Aber was ist es eigentlich, das motiviert? Mir scheint die Frage falsch gestellt zu sein. Motivation ist eines jener Probleme, für das es keine allgemeine Antwort zu geben scheint, sondern nur Lösungen im Einzelfall. Motivation ist kein kollektives, sondern ein individuelles Phänomen. Was Menschen im Allgemeinen, also was die Menschen motiviert, werden wir wahrscheinlich, von Extremlagen abgesehen, nie wissen.

Was aber den einzelnen Menschen hier und jetzt motiviert, kann meistens hinlänglich genau und rasch genug herausgefunden werden, um handeln zu können. Voraussetzung dafür ist, dass man sich für die individuelle Person wirklich interessiert und sich nicht mit Pauschalurteilen zufrieden gibt.

Motivation ändert sich

Ein wesentliches Hindernis für praktisches Motivieren ist der Glaube, dass die Motivation eine Konstante sei, dass sie generell und bei den einzelnen Menschen gleich bleibe. Was man immer wieder feststellen kann, wenn man Menschen beobachtet, ist aber, dass sich die Motivation ändert. Sie ändert sich über den Tagesablauf und über das Jahr. Sie ändert sich im Laufe eines Lebens, sie ändert sich mit der Situation, den Erlebnissen und Erfahrungen eines Menschen. Was für den Zwanziger hoch motivierend ist, ist dem Vierziger in der Regel bedeutungslos geworden.

Ich halte daher die Kategorisierung von Menschen in bestimmte Typen für schädlich und letztlich für unmenschlich. Kategorien führen zu "Schubladendenken". Ist ein Mensch einmal in einer "Schublade" versorgt, verschwindet der Mensch, und das Etikett der Schublade tritt an seine Stelle. Das Einordnen in Kategorien ist unmenschlich, weil es dem Menschen die Möglichkeit nimmt, dass seine Änderungen von anderen wahrgenommen werden.

Es gibt Menschen, die als Jugendliche wenig Motivation verspürten, zu den "Herumhängern" und "Null-Bock-Typen" gehörten, aber in späteren Jahren Hervorragendes leisteten; es gibt auch, wie man immer wieder erfahren kann, den umgekehrten Fall, wo aus leistungsorientierten, interessierten, schaffensfrohen Kindern und Jugendlichen höchst mittelmäßige Erwachsene werden, die kaum zu Leistungen zu bewegen sind.

Menschen können im Beruf zu den eher wenig Motivierten gehören und außerhalb des Berufs, in ihrem Privatleben, sich hoch motiviert für eine Sache einsetzen, im Rahmen eines Vereins zum Beispiel, für den Sport, die örtliche Blasmusik, eine politische Partei oder für eine gemeinnützige Sache.

Motivation, Vertrauen und Manipulation

Es gibt einen bis heute weithin übersehenen Zusammenhang zwischen Motivation einerseits und einem ganz anderen Aspekt, nämlich Vertrauen. Ich bin auf diesen Umstand gestoßen, weil ich zusammen mit meinen Kollegen und Mitarbeitern am Management Zentrum St. Gallen immer wieder vor einem Rätsel stand: Führungskräfte, die alles falsch machten, hatten oft hervorragende Leistungen, ein gutes Klima und motivierte Leute; solche, die alles richtig machten, hatten nicht selten das Gegenteil. Wie war das zu erklären?

Des Rätsels Lösung lag immer im Vertrauen. Wer als Chef das Vertrauen seiner Leute hatte, konnte viele Fehler machen; auch wenn die Mitarbeiter sich darüber aufregten, so wurde ihm doch letztlich verziehen. Wer hingegen das Vertrauen nicht hatte, konnte das durch nichts wieder wettmachen.

Daraus folgt nicht, dass Vertrauen an die Stelle von Motivation tritt oder dass Vertrauen dasselbe ist wie Motivation. Dies zu glauben wäre falsch. Die Sache liegt anders: Selbstverständlich ist es umso besser, wenn zum Vertrauen noch zusätzlich Motivation tritt, und in aller Regel ist es unter dieser Bedingung kein Problem, die Leute zu motivieren. Die wahre Bedeutung der obigen Beobachtung zeigt sich im negativen Falle dann, wenn kein Vertrauen gegeben ist: Unter diesen Umständen ist es nämlich vergeblich, motivieren zu wollen; es greift nicht.

Jeder Motivationsversuch verpufft wirkungslos, wenn nicht ein Minimum an Vertrauen gegeben ist. Aber nicht nur das, sondern schlimmer: Bei Fehlen von Vertrauen kehren sich Motivationsversuche fast immer ins Gegenteil um - sie werden als Manipulation empfunden und nicht selten als besonders raffinierte Form von Zynismus.

Der stärkste Motivator: Lob

Einer der stärksten Motivatoren ist Lob. Das muss man nicht lange erklären; es findet breite Zustimmung. Genau darin liegt aber auch die Gefahr des Missbrauchs von Lob. Lob motiviert nur dann, wenn es Gewicht hat und wenn es von jemandem kommt, den man respektiert. Ich halte es daher für falsch, täglich zu loben, wie es eine gewisse, stark amerikanisch beeinflusste Pädagogik fordert und wie es in populären Motivations- und Erfolgsbüchern steht. Lob ist nicht nur der stärkste Motivator, sondern auch jener, der sich am raschesten abnützt, wenn er falsch eingesetzt wird.

Zwar nicht alle, aber doch viele Menschen haben ein feines Gespür dafür, ob sie zu Recht oder zu Unrecht gelobt werden. Sie wissen, dass sie nicht jeden Tag lobenswerte Leistungen erbringen, und sie wissen auch, dass die Normalleistung keines besonderen Lobes bedarf. Das Gespür dafür ist schon bei Schulkindern festzustellen.

Setzt ein Vorgesetzter Lob nach der Manier so genannter moderner Pädagogik oder nach den Vorschlägen der Erfolgsrezeptbücher ein, empfinden diese Menschen es daher als manipulativ, beinahe als so etwas Ähnliches wie ein Dressurmittel. Nichts ist entwürdigender, als Gegenstand von Dressur und Konditionierung zu sein. Es gibt daher nur eine richtige Maxime: Sei sparsam mit Lob! Und lobe nicht für Selbstverständlichkeiten!

Pflicht, Wille und Gewohnheit

Die Motivationstheorie ist eine junge Disziplin. Gelegentlich habe ich mich selbst und meine Seminarteilnehmer etwas ironisch gefragt: Was haben nur die armen Menschen gemacht, bevor die Motivation entdeckt wurde? Immerhin wurden ja auch vor 1943 große Leistungen vollbracht, zum Beispiel wurden gotische Kathedralen gebaut …

Worauf will ich hinaus? Natürlich hatten die Menschen Gründe für ihr Handeln. Dürfen wir aber alle Gründe als Motivation ansehen? Das führt zur Frage nach dem Begriff der Motivation und nach dessen Definition. Im Lexikon liest man unter Motivation: Bestimmung durch Beweggründe. So schreibt zum Beispiel Charles Lattmann, der in diesen Fragen überaus sorgfältig war: "Der Ausdruck Motiv' leitet sich vom lateinischen Zeitwort movere' ab, das in Bewegung setzen' bedeutet.

Seine sinngetreueste Übersetzung ist daher Beweggrund': Das Motiv ist die Ursache für das Tun oder Lassen des sich verhaltenden Menschen. Sein Bedeutungsinhalt schließt all das in sich ein, was in einer Vielzahl von Ausdrücken des Alltags wie Trieb', Drang', Begehren' und Ähnlichem mehr gemeint ist. Ihnen allen liegt die Vorstellung eines Strebens nach Erreichung eines Zustandes des Befriedigtseins zugrunde."

Mir scheint erstens, dass es noch andere Gründe für das Handeln von Menschen gibt als solche, denen "ein Streben nach Erreichung eines Zustandes des Befriedigtseins" zugrunde liegt, und solche Gründe, die nichts mit Trieb, Drang und Begehren zu tun haben. Und zweitens geht es in der allgemeinen Interpretation von Motivation zumeist um ganz bestimmte Beweggründe, nämlich solche, die mit Gefühlen und Gefühlslagen zusammenhängen.

Was ist motivierend?

Die motivierende Gefühlslage wurde in den letzten Jahren fast ausschließlich in Richtung Lustgefühle interpretiert, hedonistisch also, wie der Fachausdruck lauten würde.

Als Motivation wird empfunden, was Lust bereitet, Spaß macht, "anturnt", einen "Kick" verschafft und dergleichen. "Ich bin nicht motiviert" heißt somit fast immer "Ich habe keine Lust". Genauso ist es, nur mit negativem Vorzeichen, wenn von Frustration die Rede ist. "Ich bin frustriert" heißt dann eben "Es macht mir keine Lust" oder "Ich empfinde Unlust, ich mag das nicht".

Es geht also um Gefühle, und zwar solche der Lust und Unlust. Das mag vielleicht akzeptabel sein im privaten Bereich. Mir scheint, dass man damit nicht weit genug kommt, wenn es um die Führung von Menschen und um Management geht. Daher empfehle ich meinen Seminarteilnehmern, vorläufig Begriffe wie Pflicht und Wille, von denen kaum gesprochen wird, nicht aus dem Sprachgebrauch zu streichen.

Leben ohne Motivation?

Würde in der Welt nur noch das getan werden, wofür jemand im üblichen Sinne des Wortes motiviert ist, dann stünde sie in wenigen Stunden still. Ich möchte dem allzu oberflächlichen Gebrauch des Wortes Motivation und vor allem der Erwartung, dass man zuerst in diesem Sinne motiviert sein müsse, bevor man etwas tut, eine andere Auffassung entgegenhalten. Das meiste, was die Menschen tun, tun sie, weil es ihre Pflicht ist, und noch mehr, weil sie sich verpflichtet haben. Ob und in welchem Ausmaß das mit Gefühlsregungen einhergeht, ist in diesem Zusammenhang vollkommen unbedeutend.

Ich halte es schlichtweg für romantische Illusionen zu glauben, dass die Menschen mehrheitlich am Montagmorgen zur Arbeit gehen, weil sie in einem gefühlsbezogenen Sinne motiviert sind. Sie haben sich in einem Vertrag zu gewissen Dingen verpflichtet, und sie müssen diesen Vertrag erfüllen - unter anderem deshalb, weil sie viele andere Verträge mit Verpflichtungen eingegangen sind (Mietverträge, Kreditverträge und vieles mehr). Manche dieser Verpflichtungen sind freiwillig eingegangen worden, und dabei mögen am Anfang gewisse motivierende Gefühle eine Rolle gespielt haben. Die danach oft über Jahre bestehenden Verpflichtungen selbst sind davon aber gänzlich unabhängig.

Andere Verpflichtungen sind unfreiwillige, zwangsweise Verpflichtungen, etwa die Zahlung von Alimenten für uneheliche Kinder oder für die geschiedene Ehefrau.

Wieder andere Pflichten haben wir nicht aus vertraglichen Gründen, sondern wir nehmen sie auf uns, weil wir Menschen sind. Wer alte Eltern pflegt, tut es kaum, weil er dazu im üblichen Sinne des Wortes motiviert ist. Ich habe jedenfalls noch niemanden sagen gehört, er sei motiviert, seine alte Mutter zu pflegen. Man tut es aus Liebe, aus Dankbarkeit und vielleicht aus Mitleid. Man tut es, weil es die Mutter ist und weil man ein Mensch ist. Das Wort "Motivation" schiene mir hier gänzlich unpassend zu sein, denn man kann wohl kaum Lust bei der Erfüllung einer solchen Pflicht empfinden und es deswegen tun. Und noch schlimmer wäre es, wenn man es wegen des Fehlens eines Lustgefühls, also wegen eines Motivationsmangels, unterlassen würde.

Leben ohne Motivation?

Eine Variante dieser Überlegung ist, dass Menschen einen Willen haben und vieles, was sie tun, einfach tun wollen, gänzlich unabhängig davon, ob sie dazu motiviert sind oder nicht, also Drang, Trieb oder Begehren empfinden. Mir scheint es wenig ergiebig zu sein, wenn man, vielleicht abgesehen von den Kindheitsjahren, zum Beispiel in Zusammenhang mit elementarer Körperpflege und Hygiene, etwa dem Zähneputzen, von Motivation spricht. Man putzt sich die Zähne unabhängig von Motivation, unabhängig davon, ob es einem Gefühle und gar solche der Lust und des Befriedigtseins verschafft. Man tut es, weil man sich gesunde Zähne erhalten will und weil man aufgrund des medizinischen Fortschritts weiß, wie wichtig es dafür ist, sich täglich die Zähne zu putzen. Man tut es aus Einsicht.

Genauso ist es beim Sport. Wer darauf wartet, zum Trainieren motiviert zu sein, wird es nie zu etwas bringen. Natürlich kann Training auch Lust- und gelegentlich vielleicht sogar Glücksgefühle auslösen kann. Aber niemand, der es im Leistungssport zu etwas bringen will, kann es sich leisten, auf solche Gefühle zu warten. Man trainiert, weil man eine sportliche Leistung erbringen will und weil man weiß, wie wichtig dafür regelmäßiges Training ist - hartes Training übrigens, so hartes, dass Motivation im üblichen Sinne dafür niemals ausreicht.

Man muss schon stärkere Gründe haben, um immer wieder neu das Trainingsprogramm zu erfüllen, unabhängig von Stimmungen, von Wetter und oft auch von Schmerzen. Insbesondere nach Verletzungen, vor allem aber nach Niederlagen, reicht das, was man im Allgemeinen als Motivation bezeichnet, bei weitem nicht aus. Es braucht Wille und Disziplin, nicht selten das, was eiserner Wille und Disziplin genannt wird, auch wenn man heroische Adjektive tunlichst vermeidet.

Unabhängig werden von Motivation

Mein Vorschlag ist, über die üblichen Auffassungen von Motivation hinauszugehen. Insbesondere schlage ich vor, sich von der Vorstellung zu trennen, dass es immer jemand anderen, jemand Dritten, einen Chef oder sonst jemanden, geben werde, der einen motiviert. Selbst wenn man es akzeptieren will, dass das eine brauchbare Vorstellung für gewöhnliche Leute sein könnte, sie ist gewiss nicht brauchbar für Führungskräfte.

Wer Führungskraft sein will, wem gar der Gedanke durch den Kopf geht, eines Tages ein Leader zu sein, der muss einen weiteren Schritt tun. Er muss von Motivation zu Selbstmotivation vorangehen. Wer darauf wartet, von anderen motiviert zu werden, wird es nie zu etwas bringen. Er ist abhängig; er bleibt ein Leben lang ein Geführter, im Grunde ist er ein Dienstbote, auch wenn er durch Zufall, glückliche Umstände oder falsche Personalentscheidungen in höhere Positionen kommen sollte.

Wer auf die Motivation durch Dritte wartet, wird immer wieder herbe Enttäuschungen erleben, denn es wird nicht ständig jemand anderen geben, der ihn motiviert. Mein Vorschlag ist daher, ganz im Widerspruch zur gängigen Vorstellung über Motivation: Mache dich innerlich unabhängig von der Motivation durch andere! Lerne, dich selbst zu motivieren!

Wirkliche Menschlichkeit im Management und echte Leistungsorientierung erfordert, dass man nicht nur sich selbst motiviert, sondern dass man auch möglichst vielen seiner Mitarbeiter, insbesondere jenen, die ihrerseits Menschen führen müssen, diesen Weg aufzeigt, um auch diese zu befähigen, sich selbst zu motivieren. Man wird dabei übrigens rasch sehen, wie viele der so genannten "gewöhnlichen Leute" dies lange vor einem selbst erkannt haben; vielleicht deshalb, weil sie nie in verdummende Motivationsseminare gegangen sind. Menschen sind ganz von allein viel stärker und autonomer, als weit verbreitete Pseudopsychologie es wahrhaben will und es wahrnehmen kann.

Weitere Management-Tipps von Fredmund Malik finden Sie auf der Themen-Seite "Malik on Management"

DER AUTOR

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DER AUTOR

Fredmund Malik

 © beigestellt

Der 1944 in Lustenau, Vorarlberg, geborene Fredmund Malik ist einer der führenden Management-Experten im deutschsprachigen Raum und darüber hinaus. Er ist Gründer, Inhaber und Chairman von Malik Management, dem weltweit führenden Unternehmen für ganzheitliche General Management-, Leadership- und Governance-Lösungen mit Zentrale in St. Gallen und Niederlassungen in Adelaide, Berlin, Hanoi, London, Peking, Toronto, Wien und Zürich.

Der Beitrag ist ursprünglich in der Reihe "Malik on Management" im Magazin trend. erschienen.

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