Der „Papamonat“ wurde 2019 gesetzlich verankert. Doch bisher nützen nur wenige Männer das Angebot und noch weniger die Väterkarenz. Kinderbetreuung bleibt hierzulande noch überwiegend an Working Moms hängen.
Hürden für Working Mums & Dads
Der österreichische „Papamonat“ wurde im Jahr 2022 drei Jahre alt. Den Kinderschuhen ist er freilich noch immer nicht entwachsen. Nur wenige Männer nützen die seit 2019 gesetzlich verankerte Auszeit in den ersten zwei Lebensmonaten des Kindes und die Väterkarenz, die in Österreich vor mehr als 30 Jahren gesetzlich verankert wurde, ist auch längst nicht so populär wie sich das die Politik gewünscht hatte. In acht von zehn Partnerschaften ist die Kinderbetreuung laut „Wiedereinstiegsmonitoring“ der Arbeiterkammer Wien immer noch reine Frauensache.
So wie sich diese Tendenz über die Jahre trotz der steigenden beruflichen Qualifikation von Frauen nur schleppend verändert, ebenso wenig verändern sich die Gründe: Männer verdienen in der Regel im Durchschnitt immer noch um fast 19 Prozent mehr als Frauen – Stichwort „Gender Pay Gap“ (siehe Grafik). Nehmen sie die Väterkarenzzeit in Anspruch, wirkt sich das daher auf das Familienbudget zumeist auch ungünstiger aus als wenn die Frau in Karenz geht.
Auch traditionell geprägte Vorstellungen von „Familie“ vor allem in ländlichen Gegenden stehen der partnerschaftlichen Aufteilung der Kinderbetreuung oft im Wege.
Gleichzeitig gibt es in wenigen Betrieben echte Role Models, die gemeinsame Zuständigkeit und Verantwortung für Familienaufgaben nicht nur auf dem Papier vorleben. Eine Reihe an Herausforderungen, die den Karrieren von Müttern, den "Working Moms" nicht gerade förderlich sind.
Kann es ein "Papamonat" richten?
Gesellschaftlich und politisch ist die bessere Einbindung der Väter in die Kinderbetreuung seit Jahrzehnten ein vorherrschendes Thema. "Ich glaube, dass man auch dem Mann die Chance auf eine Familie und ein Familienleben geben soll", sagte Österreichs erste Frauenministerin Johanna Dohnal (SPÖ) einst, als sie für die Einführung einer Väterkarenz kämpfte.
Zu Beginn des Jahres 1990 wurde ein Gesetz mit dem sperrigen Namen „Elternkarenzurlaubsgesetz EKUG“ eingeführt. Karenzurlaub für Väter war nur möglich, wenn diese mit der Familie im gleichen Haushalt lebten und die Mutter anspruchsberechtigt war. Es handelte sich also um ein abgeleitetes Recht. So zäh wie der Gesetzestext war auch die Umsetzung.
Wer Mitte der 1990er Jahre als junger Vater guten Mutes bei seinem Arbeitgeber eine Auszeit für die Betreuung seines Kindes beantragte, galt als, nun ja, etwas exotisch oder gar als Pantoffelheld. Daher versuchte die Politik gegenzusteuern. Mit zahlreichen Gesetzesänderungen sollten die Kinderbetreuungszeiten für Väter vereinfacht und attraktiver werden. Was regelmäßig in aufgeregte politische Debatten mündete. Wie zuletzt vor Inkraftreten des „Papamonats“ im Herbst 2019, der Männern einen Rechtsanspruch einräumt:
Ein Papamonat bezeichnet die vierwöchige Auszeit in den ersten zwei Lebensmonaten des Kindes. Der „Familienzeitbonus“ ist der finanzielle Anspruch während dieser Auszeit. Seit September 2019 besteht darauf ein Rechtanspruch, das heißt, es ist keine Zustimmung des Arbeitgebers nötig.
Den Papamonat dürfen erwerbstätige Väter, auch Adoptiv-, Dauerpflegeväter sowie gleichgeschlechtliche Partner/-innen nehmen.
Für 28 bis 31 Tage bekommt der Vater 22,60 Euro pro Tag, somit gesamt rund EUR 700,--
Der Wunsch auf ein Papamonat muss dem Arbeitgeber spätestens drei Monate vor dem errechneten Geburtstermin angekündigt werden. Es besteht ein Kündigungsschutz ab der Vorankündigung, frühestens vier Monate vor dem errechneten Geburtstermin, der vier Wochen nach dem Ende des Papamonats endet.
Der Papa muss direkt danach wieder seine Arbeit antreten – eine Karenz darf nicht direkt danach angeschlossen werden.
Reichen Papamonat und Väterkarenz, um Frauen-Karrieren zu fördern?
Während ein Papamonat relativ einfach und unkompliziert abgewickelt werden kann ist die Väterkarenz wesentlich komplexer ausgestaltet. Sie zielt auf die gemeinsame Betreuung der Kinder während derer ersten zwei Lebensjahre ab, wird aber nach der genannten AK-Studie nur unzureichend genützt. Demnach beziehen nur zwei von zehn Männern Kinderbetreuungsgeld und nur ein Prozent bleibt länger als sechs Monate daheim beim Kind.
Dass dies jene Väter sind, die ihren Nachwuchs öfter als abends und am Wochenende sehen wollen, darf man vermuten. Fest steht, dass in manchen Branchen – etwa in Sozialberufen – die Männerkarenz deutlich beliebter ist als in anderen und dass das Einkommen beider Elternteile ein große Rolle spielt. Selbstredend bei einer der beiden möglichen Varianten.
Variante 1: Einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld
Das Einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld begrenzt die Dauer auf das vollendete 12. Lebensmonat des Kindes, bei Inanspruchnahme beider Elternteile auf den vollendeten 14. Lebensmonat
Die Höhe des Kinderbetreuungsgeldes beträgt 80% der Letzteinkünfte (netto), wobei die maximale Höhe bei 66,00 Euro pro Tag liegt.
Es gebührt jenen Personen, die in 182 Kalendertagen vor der Geburt des Kindes in Österreich kranken- und pensionsversicherungspflichtig waren (kein Arbeitslosengeldbezug etc. während dieser Zeit)
Gemeinsamer Haushalt mit dem Kind, Bezug der Familienbeihilfe
Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich
Rechtmäßiger Aufenthalt in Österreich (EU-,EWR-Bürger, Asylberechtigte etc.)
Durchführung und Nachweis der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen
Der Zuverdienst darf die Grenze von 7.600 Euro (Wert für 2022) pro Kalenderjahr nicht übersteigen. Die Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung etwa wäre daher zulässig.
Die Karenz kann mit dem anderen Elternteil zweimal geteilt werden. Ein Karenzteil muss mindestens zwei Monate betragen. Beim erstmaligen Wechsel der Betreuungsperson können die Eltern gleichzeitig 1 Monat Karenz in Anspruch nehmen.
Variante 2: Pauschalsystem
Die Bezugsdauer des pauschalen Kinderbetreuungsgeldes kann innerhalb eines vorgegebenen Rahmens von rund 12 bis 28 Monaten ab der Geburt des Kindes für einen Elternteil beziehungsweise etwa 15 bis 35 Monate bei Inanspruchnahme durch beide Elternteile flexibel gewählt werden
Der Tagessatz beträgt – je nach gewählter Dauer – zwischen EUR 14,53 und maximal EUR 33,58.
Von der jeweils gewählten Gesamtanspruchsdauer pro Kind sind 20 Prozent dem zweiten Elternteil unübertragbar vorbehalten (in der kürzesten "Variante" sind das 91 Tage).
Während des Bezugs von pauschalem Kinderbetreuungsgeld darf der jährliche Zuverdienst bis zu 60 Prozent der Letzteinkünfte betragen (= individuelle Zuverdienstgrenze).
Liegt die ermittelte individuelle Zuverdienstgrenze unter 16.200 Euro, so gilt in diesem Fall eine Mindestgrenze von 16.200 Euro pro Kalenderjahr.
Nicht nur auf den ersten Blick sollte man sich den beiden Varianten mit einer gewissen Portion mathematischer Grundkenntnisse annähern. Eine Hilfestellung bietet der Kinderbetreuungsgeld-Online-Rechner des Bundeskanzleramts.
Was können die Betriebe verbessern?
Weil der Nachwuchs nicht nur im Kleinkindalter sondern auch viele Jahre danach eine anständige und qualifizierte Betreuung braucht, sind entweder die familiäre Unterstützung oder das Angebot an Kindergärten und Horten entscheidend für das Fortkommen der Frauen, wollen sie nicht in Teilzeitarbeit landen, wo sie in der Regel recht bald auf das Ende ihrer Karriereleiter blicken.
Wenn man es überspitzt formuliert, dann lautet die Formel auch im dritten Jahrtausend immer noch: Frauen arbeiten wegen der Kinder in Teilzeit, während Männer ihre Karriere vorantreiben (siehe Grafik).
Beschäftigungsquoten und Beschäftigungs-Gap
„Die Beschäftigungsquote der Männer verändert sich nicht im Zusammenhang mit Kindern, weder mit der Anzahl noch mit dem Alter der Kinder. Teilzeit ist für Frauen mit Kindern unter 15 Jahren die dominierende Form der Erwerbsarbeit, die Teilzeitquote der 25- bis 49-jährigen Frauen mit Kindern unter 15 Jahren lag im Jahr 2020 bei 72,8 %“, sagt Christine Mayrhuber, Senior Economist am WIFO und zuständig für die Bereiche Arbeit, Einkommen und Soziale Sicherheit.
Sie vermisst, dass Betriebe ihren MitarbeiterInnen mehr Führungspositionen als Teilzeitbeschäftigung anbieten: „Die Unternehmen müssten umdenken, zum Beispiel kürzere Dienstzeiten anbieten oder etwa keine Besprechungen nach 16 Uhr ansetzen.“
Kinderbetreuung á la carte
Ob Frauen in Führungspositionen Familie und Karriere unter einen Hut bringen, wird also von zumindest drei Faktoren bestimmt: Dem familiären Umfeld, dem Mitwirken der Betriebe und nicht zuletzt den institutionellen Betreuungseinrichtungen, stellt Mayrhuber fest. Flexible Öffnungszeiten von Halbinternaten, Horten und Kindergärten sowie eine qualifizierte Betreuung mit gesundem Essen und (Früh)förderung ihrer Sprösslinge – all das ist Eltern wichtig.
Krippen und Kindergärten, die nur vormittags geöffnet haben, sind nicht einmal für eine Teilzeitkraft brauchbar. Die Alternative für kleinere Kinder ist eine Tagesmutter – doch auch diese verlangen oft, dass die Kleinen um 15 oder 15.30 Uhr abgeholt werden. Bleibt noch ein Kindergarten, der zumindest eine Betreuung bis 18.30 Uhr anbietet (VIF-Kriterien, siehe unten) und die Hoffnung, dass einer der beiden Elternteile früh genug aus dem Büro wegkommt.
Viele Jungfamilien entscheiden sich daher am Ende doch für eine Nanny, vorausgesetzt das Einkommen stimmt. „Ein Großteil meines damaligen Teilzeit-Einkommens ging für unsere Kinderfrau drauf“ spricht Lydia Ninz, Geschäftsführerin von AJOUR-Arbeit für JournalistInnen, ein Problem an, das sie mit vielen Frauen teilt und das weder mit Papa-Monat noch mit Väterkarenz aus der Welt geschafft wurde.
Weshalb Ruth Gabler-Schachermayr, die gemeinsam mit ihrer Kollegin Lisi Molzbichler mit ihrer Firma „balanceUp“ UnternehmerInnen-Eltern in Sachen Vereinbarkeit von Business und Familie berät, unmissverständlich die Politik in die Pflicht nimmt. „Eine flächendeckende Kinderbetreuung, wichtig ab mindestens dem 1. Geburtstag, ist eine wesentliche Grundvoraussetzung, damit wir nicht auf das Klischee der Mütter reduziert werden, sondern aktiv wieder etwas in der Arbeitswelt bewegen können. In anderen Ländern – vor allem im Norden – ist Vereinbarkeit kein Thema – wir haben hier noch einiges aufzuholen!“
VIF-Kriterien
2006 wurden die VIF-Kriterien von der AK Wien entwickelt, um zu erfassen, wie viele Plätze in der Kinderbetreuung mit einer Vollzeitbeschäftigung der Eltern vereinbar sind.
Eine mit einer Vollbeschäftigung der Eltern zu vereinbarende Kinderbetreuung (VIF-Kriterien) über den Ausbau des institutionellen Kinderbetreuungsangebotes ist dann gegeben, wenn die Kinderbetreuung folgendes Angebot erfüllt:
Qualifiziertes Personal, Angebot von Mittagessen und wie folgt geöffnet:
mindestens 47 Wochen im Kindergartenjahr
mindestens 45 Stunden wöchentlich
werktags von Montag bis Freitag
an vier Tagen wöchentlich mindestens 9½ Stunden