
Konrad Holleis und Christof Miska, Leadership-Experten der WU Executive Academy, über den Weg zur modernen Führungskraft, die Notwendigkeit von mehr Selbstreflexion in den Führungsebenen – und die Schnittpunkte von New Leadership und Politik.
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TREND: Was steckt hinter dem Begriff New Leadership? Braucht es eine Revolution der Führungskultur?
KONRAD HOLLEIS: New Leadership ist ein Oberbegriff für moderne Führungsansätze, die den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Denn heute, im Zeitalter der ständigen Veränderung und der Dauerkrisen, gibt es kein „Business as usual“ mehr und die bisherigen Strukturen funktionieren auch in der Führungsebene nicht mehr. Arbeitnehmende sind in einem Unternehmen keine Ressourcen, sondern Partner, mit denen sich die Führungskräfte auf eine gemeinsame Reise begeben. Eine Revolution braucht es zwar nicht, jedoch eine ständige Evolution: Veränderungen in der Führungskultur können den meisten Unternehmen guttun.
Die WU Executive Academy nähert sich dem Thema aus der wissenschaftlichen und der praktischen Perspektive. Lässt sich Leadership lernen?
CHRISTOF MISKA: Leadership kann man und muss man lernen! Einen Königsweg nach der Art von „Wie werde ich in fünf Schritten zum Topmanager?“ gibt es aber nicht. Das belegen viele unterschiedliche Forschungsrichtungen und Strömungen. Generell lässt sich sagen, dass sich die traditionellen Ansätze auf Hierarchien fokussieren – Führung ist gleich Planung und Kontrolle, Autorität hat in diesen Modellen einen hohen Stellenwert. Früher dachte man auch, Manager bekommen ihre Qualitäten quasi „in die Wiege gelegt“, heute wissen wir, dass gutes Leadership Üben und Lernen voraussetzt. Moderne Zugänge sehen das Thema differenziert und dynamisch, denn keine Führungskraft kann allein über Markt, Lieferanten oder geopolitische Einflussfaktoren entscheiden. New Leadership bedeutet nicht, etwas vorzugeben, sondern einen Dialog zu führen und auf Partizipation und Kollaboration zu setzen. Diese Konzepte gilt es, im Unternehmen mit Leben zu erfüllen.
Was macht einen Top Employer aus – was machen die Besten anders?
HOLLEIS: Was alle Top Employer verbindet, ist, dass sie strategische Personalentwicklung fest im Unternehmen verankert haben und stark auf das Wohlbefinden der Mitarbeitenden achten. Heute braucht es neben der finanziellen auch die psychologische Sicherheit, Raum für Innovationen, eine positive Fehlerkultur, Kommunikation auf Augenhöhe … Gerade die mittlere Managementebene ist stärker denn je gefordert – es gibt ja auch im Zeitalter von ESG und Work-Life-Balance quantitative Ziele, die aber nur mit qualitativer Arbeit erreicht werden können. Damit das neue Verständnis in die Organisation getragen wird, kann es helfen, das Thema Leadership über den Bereich Personalentwicklung auf Vorstandsebene zu heben: Nur wenn ich Mitarbeitende gut manage, wird es auch dem Unternehmen langfristig gut gehen.


© WU Wien
Im trend-Arbeitgeber-Ranking fällt auf, dass viele Topplatzierte mit der WU Executive Academy kooperieren. Sind Unternehmen, die auf New Leadership setzen, nicht nur bessere Arbeitgeber, sondern auch erfolgreicher?
MISKA: Das scheint der Fall zu sein, aber nicht aufgrund eines kausalen Zusammenhanges im Sinne von „wer so handelt, wird automatisch erfolgreich“. Ich würde eher sagen, dass es für Unternehmen negative Auswirkungen hat, sich gar nicht mit New Leadership auseinanderzusetzen. Denn sie müssen wissen, wohin die Reise geht, welche Personalressourcen wie eingesetzt werden und wer Verantwortung übernimmt. Daher braucht es in der Managementebene jene Selbstreflexion, welche die Beschäftigung mit dem Thema erzeugt – bezogen auf die eigene Person, aber auch auf die Prozesse im Unternehmen. Vorbildwirkung zu erzeugen, hat viel mit Haltung und dem Hinterfragen alter Glaubenssätze zu tun. Denn nicht nur die Mitarbeitenden brauchen eine sinnstiftende Tätigkeit: Auch Manager müssen sich heute die Frage stellen, was ihr „Purpose“ ist. Wer sich selbst nicht kennt oder rein auf Kennzahlen und Boni fixiert ist, kann auch andere nicht mit ins Boot holen.
Gibt es so etwas wie Beratungsresistenz in Sachen New Leadership unter Führungskräften? Wie lässt sich diese bekämpfen?
MISKA: Traditionelle Denkmuster gibt es nach wie vor, sie werden aber immer mehr auf den Prüfstand gestellt – auch weil sich die Rahmenbedingungen ändern. Gerade jene, die sich auf der WU Executive Academy aus- oder weiterbilden lassen, sind für Veränderungen bereit und nutzen das, was ihnen hier geboten wird. Problematisch sind eher jene, die den Kopf in den Sand stecken und auf ein „Weiter wie bisher“ setzen, ohne überhaupt den ersten Schritt in Richtung Veränderung zu machen.
HOLLEIS: Unternehmen lassen sich nicht mehr auf Quartalszahlen oder Aktienkurse reduzieren. Viele verharren zwar noch in diesen alten Strukturen und setzen auf Führung nach dem Motto „Command and Control“. Doch der Paradigmenwechsel, der in der Gesellschaft stattfindet, wird auch sie zum Handeln zwingen. Während Babyboomer vielleicht noch einfacher mit traditionellen Leadership-Mustern zu führen waren, haben die jungen Generationen andere Erwartungen an ihre Arbeitgeber – und gerade wer zu den besten Arbeitgebern zählen möchte, muss seine internen Prozesse anpassen.
ESG, Nachhaltigkeitsberichte, EU-Lieferkettenrichtlinie, aber auch die geopolitische Lage stellen Manager vor große Herausforderungen. Gewinnt New Leadership auch an Bedeutung, weil sich die Rahmenbedingungen ändern?
HOLLEIS: Ja, aber auch wenn sich vieles ändert, müssen Führungskräfte ständig an sich arbeiten, um strategische Opportunitäten erkennen und nützen zu können. Wenn neue Vorgaben kommen, überlegen sich viele Manager noch zuerst nur, wie sie diese umgehen können, um genauso weiterzumachen wie vorher. Viel besser ist es, auf proaktives Handeln zu setzen, bei neuen äußeren Faktoren die Chancen zu suchen und vielleicht das Geschäftsmodell entsprechend zu erweitern, um damit neue Talente anzuziehen.
An der WU Executive Academy haben Sie es mit Wirtschaftstreibenden zu tun, die „Spielregeln“ für die Wirtschaft gibt aber meist die Politik vor. Wo sehen Sie die Schnittpunkte zwischen Politik und New Leadership?
MISKA: Kein Unternehmen ist losgelöst vom gesellschaftlichen Kontext. Gutes Leadership bedeutet daher auch, gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen. Unternehmen müssen einen klar erkennbaren Standpunkt zu aktuellen gesellschaftlichen Themen beziehen können. Denn wenn sie das nicht machen oder es an Haltung fehlt, kostet sie das am Ende des Tages Geld, wie beispielsweise gerade die Performance von Tesla vor dem Hintergrund der politischen Aktivitäten von Elon Musk deutlich zeigt.
HOLLEIS: Sich nach der aktuell vorherrschenden Windrichtung zu drehen, ist sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik langfristig der falsche Ansatz – siehe die USA, wo Unternehmen reihenweise ihre ESG- und Inklusionsprogramme auf den Prüfstand stellen, nur weil die aktuelle politische Führung andere Prioritäten setzt. Erfolg wird heute auch in der Wirtschaft im Spannungsfeld der „drei P“ – Planet, People, Profit – gemessen. Wichtig ist daher, authentisch zu bleiben – denn nur wer glaubwürdig ist, kann andere motivieren.


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WU Executive Academy
Die WU Wien bündelt ihre Weiterbildungsprogramme in der WU Executive Academy. Als einzige triple-akkreditierte Business School Österreichs und einziges österreichisches Institut im renommierten „Financial Times“-Ranking zählt sie zu den führenden Anbietern in Europa. Ihr Portfolio umfasst praxisorientierte Management- und Leadership-Programme – von anerkannten Executive MBAs über den spezialisierten MSc Leadership und Unternehmensführung bis zu Kurzprogrammen. Maßgeschneiderte Custom-Programme ermöglichen zudem enge Kooperationen mit Unternehmen, um individuelle Weiterbildungslösungen für Führungskräfte und Talente zu gestalten.


Konrad Holleis
© Wirtschaftsuniversität Wien

Christof Miska
© Wirtschaftsuniversität WienZu den Personen:
Konrad Holleis leitet an der WU Executive Academy den Bereich Executive Education. Gemeinsam mit seinem Team entwickelt er maßgeschneiderte Führungskräftetrainings für Unternehmen.
Christof Miska ist akademischer Leiter des Masters Leadership und Unternehmensführung und des ESG- und Nachhaltigkeitskurzprogramms der WU Executive Academy sowie Professor am Institut für Responsibility and Sustainability in Global Business der WU Wien.