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Magnus Brunner – der Kronprinz wider Willen [Politik Backstage]

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Finanzminister Magnus Brunner

©Picturedesk.com/Kurier/Gilbert Novy
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Dieser Tage legt der Finanzminister sein vorläufig letztes Budget vor. Intern muss MAGNUS BRUNNER aber immer mehr Nachdruck auf die Botschaft verwenden: Er wolle Karl Nehammer nicht als ÖVP-Chef und Kanzler beerben.

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In der zweiten Augustwoche waren auch im Wiener Regierungsviertel etwas Ferienstimmung und ein entspannteres Arbeitstempo angesagt. Eine Nachricht aus dem Urlaubsland Italien sorgte erst nur für leichte Unruhe. In der Folge aber für tagelange Hektik und schwere Verstimmungen.

Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hatte angekündigt, die "Übergewinne" der Banken mit 40 Prozent zu besteuern. Die Chefin der postfaschistischen Fratelli d'Italia wollte mit dieser populistischen Radikalansage einen neuen Sündenbock für die Teuerung an den Pranger stellen.

Nachrichtenportale hatten in den Wochen zuvor quer durch Europa neue Rekordwerte rund um die Halbjahresbilanzen der Geldinstitute vermeldet: Inflation und Zinsniveau bescherten einigen Banken bis zu viermal höhere Gewinne. Nach den Energiekonzernen ging nun auch über die Bankenwelt das Unwort von den "Übergewinnen" um.

Hierzulande rückte noch am gleichen Tag Finanzminister Magnus Brunner aus und ließ wissen: "Ich sehe derzeit keinen Bedarf für eine Bankensteuer."

Damit wäre an sich alles gesagt gewesen, hätte es in den Tagen danach nicht Telefonate und interne Meetings im ÖVP- Sektor des Regierungsviertels gegeben, bei denen die Devise ausgegeben wurde: "Übergewinne" von Unternehmen seien angesichts der hartnäckigen Rekordinflation hochsensibel. Zwischen Kanzleramt und Finanzministerium wurde daher ausgemacht, das Team um Magnus Brunner solle sich für den Fall wappnen, dass die neue Banken-Debatte politisch eskaliere. Die Regierung wollte nach der monatelangen öffentlichen Empörung und dem Tauziehen über "Übergewinne" von Energiekonzernen nicht einmal mehr von aller Welt getrieben erscheinen.

Falscher Alarm: Kanzler will Bankensteuer

Brunner gab daher intern den Auftrag, in diskreten Gesprächen mit Experten und Vertretern des Bankensektors das Terrain für mögliche, aber wirtschaftlich verträgliche politische Maßnahmen auszuloten. Die sommerliche Sondierungsaktion löste binnen weniger Tage freilich höchste Alarmstimmung aus. Denn in den Vorstandsetagen der Geldinstitute schlug die Fact-Finding-Mission als High-Alert-Botschaft auf: Der Kanzler will eine Bankensteuer.

Die Bankchefs klemmten sich mitten in der Urlaubszeit höchstpersönlich hinters Telefon und ließen den Regierungschef wissen: Sie seien ob der kursierenden Überlegungen massiv irritiert, dass Karl Nehammer in Giorgia Melonis Fußstapfen treten wolle. Zumal der Wirtschaftsmotor gerade ins Stottern komme, alle Zeichen auf Rezession stünden und die Banken nichts weniger brauchen könnten als neue Besteuerungspläne.

Die Aufregung der Bankenchefs wurde in der zweiten Augusthälfte binnen Tagen wieder halbwegs eingefangen. Die Buschtrommelnachricht "Kanzler will die Banken besteuern" wurde als Missverständnis aufgrund einer unglücklichen Formulierung einer Mitarbeiterin des Finanzministeriums erklärt und auch von dort aus mit Nachdruck entkräftet.

Nehammer und Brunner: Von Parallelläufern zu Konkurrenten?

Im Kanzleramt hingen die Rauchschwaden dieses falschen Großbrandalarms noch länger beißend in der Luft. Am Ballhausplatz und Umgebung hatten Kanzlerberater das "BMF", so das regierungsinterne Kürzel fürs Finanzministerium, schon länger in Verdacht, aus der Reihe zu tanzen und ein Solomatch spielen zu wollen. Ein auffälliger Kontrast zum bisherigen Parallellauf: Karl Nehammer und Magnus Brunner rückten beide zeitgleich von nachgeordneten Regierungsrängen in die äußerste Hitzezone des heimischen Powerplays auf.

Nehammer wechselte nach dem endgültigen Rückzug von Sebastian Kurz Anfang Dezember 2021 vom Innenressort an die Spitze der Regierung. Brunner stieg am gleichen Tag – nach dem synchronen Abgang von Kurz-Intimus Gernot Blümel – vom ÖVP-Staatssekretär im grün geführten Klima- und Infrastrukturministerium zum Finanzminister auf.

Bis dahin führte Magnus Brunner ein politisches Schattendasein. Mit seinem Stil der freundlichen Beharrlichkeit platzierte sich der Vorarlberger bald als einer der beliebtesten ÖVP-Repräsentanten. Karl Nehammer legte zwar mit seinem Credo "Ich bin ein Lernender" einen guten Start hin. Er kam aber bald immer öfter ins Straucheln: Durch nicht zu Ende gedachte Aktionen als Möchtegern-Friedensstifter bei Wladimir Putin. Durch flapsige Sager zur Inflationsbekämpfung ("ihr habt bald nur noch die Wahl zwischen Alkohol oder Psychopharmaka") oder über Corona anlässlich seiner Wahl zum Parteichef ("hier sind so viele Viren, aber heute kümmern sie uns nicht").

Wachsendes Misstrauen in der Kanzler-Umgebung

Je öfter Brunner in den vergangenen Monaten nicht nur in den Medien, sondern auch im parteiinternen Tratsch als möglicher Ersatzmann an der ÖVP- und Regierungsspitze genannt wurde, desto massiver wurde das Misstrauen in der Kanzler-Umgebung.

Das ließ besonders verlustängstliche Gemüter Brunner auch als Auslöser des Fehlalarms vermuten, Nehammer wolle die Banken besteuern. Dieser habe bewusst dieses Ondit in Richtung einer Wirtschaftswelt absetzen lassen, die dem ÖAAB-dominierten Kanzleramt ohnehin wirtschaftspolitisch misstraue.

Ob sich Nehammer selbst ernsthaft von Magnus Brunner politisch bedroht fühlt, darüber gehen im Regierungsviertel die Meinungen auseinander. Mit Aufmerksamkeit wurde aber zuletzt in ÖVP-Regierungskreisen registriert, dass die spärlichen Reste von Message Control in Kanzleramtshänden dazu benutzt würden, dem Konkurrenten im BMF die für ihn unattraktiven Themen umzuhängen und ihn von den wenigen attraktiven fernzuhalten.

Good News und bella figura

Als Mitte September die politische Festlegung auf die Pensionserhöhung 2024 anstand, wollte so die Kanzleramtsregie den Finanzminister gemeinsam mit dem grünen Sozialressortchef an die Medienfront schicken. Wohl wissend, dass in Brunners Homebase, dem ÖVP-Wirtschaftsbund, die milliardenschwere Pensionserhöhung kritisch gesehen wird.

Brunner roch den Braten und überließ den ÖVP-Part an der Seite des grünen Sozialministers Klubobmann und Nehammer-Intimus aus gemeinsamen ÖAAB-Tagen August Wöginger. Die Verkündigung einer guten Neuigkeit ohne doppelten Boden musste der Finanzminister zwei Tage danach nolens volens an den Kanzler abtreten. Dabei ging es um Magnus Brunners politisches Lieblingskind, die Abschaffung der kalten Progression.

Als die von Nehammer verkündete politische Einigung zwei Wochen danach auch formell im Ministerrat beschlossen wurde, ließ es sich Magnus Brunner nicht nehmen, das Gleiche noch einmal höchstpersönlich zu verkünden: die breitenwirksamen "Good News", dass das letzte Drittel der kalten Progression vor allem an die unteren und mittleren Einkommensbezieher ausgeschüttet werde. Langjährige Kenner nehmen Magnus Brunner ab, dass er weiter nur darauf Bedacht sei, als Finanzminister "bella figura" zu machen. "Ihm geht nichts so sehr auf die Nerven, als wenn er medial oder parteiintern als ÖVP-Chef oder Kanzler ins Spiel gebracht wird", sagt ein Brunner-Vertrauter.

Nervöse Putschgerüchte am Ballhausplatz

In den vom ÖVP-Arbeitnehmerflügel ÖAAB beherrschten Kanzleramtskreisen wird freilich mehr denn je das Ondit verbreitet, Brunner könnte sich mithilfe des Wirtschaftsbundes zum Retter der ÖVP und des Kanzlersessels aufschwingen. Der 51-jährige Finanzminister präsentiert dieser Tage das letzte Budget des türkis-grünen Kabinetts im Hohen Haus – just zeitgleich mit dem Start des Prozesses gegen Sebastian Kurz am 18. Oktober im Wiener Grauen Haus. Eine Koinzidenz, die auf Kosten der medialen Aufmerksamkeit für den Staatshaushalt gehen wird – und im Finanzministerium wohl wissend sarkastisch so kommentiert wird: "Dabei waren wir mit unserer Terminfestlegung auf den 18. Oktober zuerst dran."

Mehr ein Zufall denn ein Plan stand auch beim ersten persönlichen Kennenlernen von Sebastian Kurz und Magnus Brunner Pate.

Einige Wochen nach dem zweiten, fulminanten Wahlsieg des türkisen Shootingstars im Herbst 2019 lud Sebastian Kurz alle Mandatare, engsten Mitarbeiter und ÖVP-Spitzen zu einem Get-together in die Ottakringer Brauerei. Bei Bier, Stelzen und Würstel begegneten einander der Comeback-Kanzler und der damalige Vorarlberger ÖVP-Bundesrat erstmals persönlich.

Als die Rede auf Brunners berufliches Vorleben – einen Managerjob in der Energiewirtschaft – kam, ging der politische Hinterbänkler mit einem Karriereschub nach Hause: dem noch vakanten, aber überschaubar attraktiven Job eines ÖVP-Staatssekretärs im grünen Klima- und Infrastrukturministerium.

Brunner erzählt zu vorgerückter Stunde selber gerne, wie er zu seinem ersten Regierungsjob kam. Wohl auch als Beleg dafür, dass er schon damals nicht mit allen Mitteln auf höhere Weihen aus war.

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