Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer im trend. Interview. Er senkt die Kammer-Pflichtbeiträge um zwölf Prozent. Und er fordert andere öffentliche Organisationen auf, seinem Vorbild zu folgen, um Unternehmen und Bevölkerung in der Krise zu entlasten.
Auch viele der eigenen Funktionäre waren überrascht, als ihnen Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer bei einer Versammlung am 7. September eröffnete, er werde die gesetzlichen Kammerbeiträge, die Unternehmen zu entrichten haben, senken. Nicht alle Kämmerer sind hellauf begeistert über den Verzicht auf Einnahmen. Doch Mahrer wählte den Zeitpunkt bewusst.
Denn die ohnehin immer wiederkehrende Kritik an den hohen "Zwangsbeiträgen" und den Milliarden-Rücklagen der Wirtschaftskammer-Organisation (WKO) und ihrer Bundeszentrale (WKÖ) wurde zuletzt wieder lauter: weil die Kammerumlagen -wie die Steuereinnahmen des Staates -durch die hohe Inflation automatisch stark ansteigen (Details siehe auch Kasten Seite 23). Mahrer geht deswegen nun in die Offensive. Und er will, dass diverse "öffentliche Hände" seinem Beispiel folgen.
Bei einem Gespräch im Tiroler Alpbach erklärte er dem trend seine Pläne.
Die Kammern werden als " großer Teuerungsgewinner" tituliert. Sie freuen sich über Rekordeinnahmen, Ihre Mitglieder tun das weniger, oder?
Ja, die Beiträge steigen aufgrund der Inflation. Wir haben uns aber auch durch Effizienzsteigerungen finanzielle Spielräume geschaffen. Das versetzt uns in die Lage, Beiträge zu senken. Und das tun wir – als erste öffentliche Institution – jetzt auch, und zwar bewusst in einer wirtschaftlich sehr anspruchsvollen Situation. Konkret werden die Kammerumlagen per 1. Jänner 2024 um zwölf Prozent reduziert. Das entspricht rund 35 Millionen Euro. Ein ordentlicher Brocken für uns.
Keine gar so große Hexerei, wenn die Einkünfte automatisch sprudeln ...
Das stimmt so nicht. Wir sind ja ebenfalls mit viel höheren Kosten konfrontiert. Zweitens haben wir seit 2000 um 80 Prozent mehr Mitglieder, die wir betreuen: immer mehr Exportbetriebe, aber auch viele EPU, die neue Services brauchen. Mir war klar, als ich 2018 gekommen bin, dass sich auch in der Wirtschaftskammer etwas ändern muss, dass wir unternehmerischer in unserem Handeln werden müssen, etwa in Bezug auf Personaleinsatz und Personalkosten, die in den letzten Jahren um 5,7 Prozent gesunken sind, weil wir unter anderem nicht jede Stelle nachbesetzt haben. Ein ähnliches wirtschaftliches Denken würde übrigens auch der öffentlichen Verwaltung gut anstehen. Alle Institutionen sind zu größtmöglicher Effizienz aufgerufen.
Wird der Verzicht auf Einnahmen innerhalb der Kammer auf allen Ebenen mitgetragen?
Es sind nie alle ganz glücklich über so eine Maßnahme. Für mich ist es aber ein Gebot, die Mitglieder zu entlasten, wenn es möglich ist. Und ich verstehe diese Haltung auch als Signal, dass so etwas in der gesamten Republik möglich sein sollte.
Auch andere sollen mit den Abgaben runtergehen?
Wenn wir es können, müsste es jede andere öffentliche Institution auch können. Die Kammerbeiträge sind ein winziger Teil der Lohnnebenkosten. Würden diese z. B. in Summe um zehn Prozent sinken, wären das 4,2 bis 4,5 Milliarden Euro, die den Betrieben in der aktuell schwierigen Lage nachhaltig helfen könnten. Am besten verbunden mit weiteren Abgaben-und Gebührensenkungen, für die sich die öffentlichen Hände entscheiden könnten.
An welche denken Sie da?
Ich will niemandem etwas vorschreiben, sondern bewusst jetzt einen Schritt setzen, der Vorbildwirkung hat. Für uns heißt das, da und dort den Gürtel enger zu schnallen. Genauso sollen sich Bund, Länder und Gemeinden fragen, ob jedes Projekt notwendig ist oder nicht auch Mittel frei gemacht werden können. Ich glaube, dass diese Debatte notwendig ist.
Sie meinen: weniger ausgeben, um mit geringeren Einnahmen auszukommen?
Ja. Es gilt zu fragen: Muss alles gemacht werden, was gemacht wird? Muss es das kosten, was es kostet? Und sollten wir nicht die Komponente Eigenverantwortung wieder mehr betonen? Man kann ja umschichten und Prioritäten setzen, z. B. vom Kreisverkehrsbau zur Kinderbetreuung. Es ist Zeit, dass wir uns von der Vergangenheit lösen und mit der harten Realität auseinandersetzen. In einer brutalen Wettbewerbssituation für Unternehmen müssen alle ihre Hausaufgaben machen.
Die genannte Senkung bezieht sich nur auf die Kammerumlagen 1 und 2 der Bundesorganisation (WKÖ). Länderkammern und Fachsparten heben mit gut 600 Millionen Euro aber den Löwenanteil der Beiträge ein. Dort ist nichts drinnen?
In meiner Verantwortung liegen die beiden genannten Umlagen. Die Länderkammern agieren nach eigenen Möglichkeiten. Die Grundumlage liegt in der autonomen Verantwortung der Fachorganisationen. Denen möchte ich nichts ausrichten. Wenn Metallindustrie oder Tischler senken wollen, dann steht ihnen das frei. Die Bereiche, die es sich leisten können, tun es auch. Jede Branche weiß am besten, welche Leistungen ihre Betriebe benötigen und welche vielleicht nicht mehr.
Sehr eng wird die Wirtschaftskammer den Gürtel nicht schnallen müssen, wenn 35 Millionen fehlen, oder?
Ich weiß, dass Kritiker sagen: "Ihr habts eh so viel Geld!" Aber dieser Schritt schränkt unseren Investitionsspielraum für neue Bildungsangebote und neue Niederlassungen im Ausland sehr wohl ein. Wobei sich beides starker Nachfrage erfreut. Neue Büros werden etwa in Chicago, Osaka oder Taschkent entstehen. Wir werden künftig zum Teil unsere Rücklagen, die so gerne angeprangert werden, dafür verwenden. Den Mitgliedern geben wird das Maximum an Entlastung, ohne die wichtigsten Investitionsvorhaben – vor allem auch im Bildungsbereich - verschieben zu müssen.
Das vollständige Interview mit WKÖ-Präsident Harald Mahrer finden Sie in der trend. PREMIUM AUsgabe vom 8.9.2023.