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Schwarzer Sonntag für die Roten? [Politik Backstage]

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STIMMUNGSTIEF. SPÖ NÖ Parteichef Franz Schnabl mit Parteichefin Pamela Rendi-Wagner am SPÖ NÖ Landesparteitag am 1. Oktober 2022. Im Wahlkampf-Finale 2023 lässt sich PRW in Niederösterreich so gut wie nie mit Schnabl blicken.
STIMMUNGSTIEF. SPÖ NÖ Parteichef Franz Schnabl mit Parteichefin Pamela Rendi-Wagner am SPÖ NÖ Landesparteitag am 1. Oktober 2022. Im Wahlkampf-Finale 2023 lässt sich PRW in Niederösterreich so gut wie nie mit Schnabl blicken.©APA/GEORGES SCHNEIDER/PHOTONEWS.AT
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Die ÖVP in Niederösterreich muss zittern, ob sie nicht nur Stimmen, sondern auch die Allmacht verliert. Sicherer Wahlsieger sind allein die Blauen. Die SPÖ-Chefin muss hoffen, dass Spitzengenossen die intern bis zum Sommer paktierte Galgenfrist nicht vorzeitig brechen.

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Parlaments-Wiedereröffnung samt anschließendem Empfang in der glanzvoll herausgeputzten Säulenhalle, Regierungsklausur im fashionablen Hotel Schloss Mauerbach unweit der Wiener Stadtgrenze, ÖVP-Funktionärstreffen in den urtümlichen Gemäuern der Ottakringer Brauerei: Mit dem praktischen Aus der Corona-Maßnahmen tummelten sich bei den Neujahrs-Empfängen und ersten Events im Neuen Jahr so viele Menschen wie seit Jahren nicht mehr.

Wo immer Politiker, Manager und Medienleute dieser Tage aufeinandertrafen, gab es ein Top-Gesprächsthema: Wie geht die niederösterreichische Landtagswahl aus?

Was aber noch breiter interessierte: Was heißt das für die künftige Betriebstemperatur im Regierungsviertel? Erfahrene niederösterreichische Spitzenleute und Parteimanager rechnen unter vier Augen zwar mit unangenehmen Stimmverlusten, aber nicht einem schmerhaften Machtverlust.

In den Bundesländern zählt im politischen Alltag längst nicht mehr die Mehrheit im Landtag. Die stehen am Ende der Legislative: Die entscheidenden politischen Weichen werden in Brüssel gestellt, in Wien in Gesetze gegossen, den Ländern obliegt im Zuge der „mittelbaren Bundesverwaltung“ die Vollziehung. Die Landtage braucht es in der Hauptsache nur noch einmal im Jahr für einen Budgetbeschluss.

Die Machtmusik spielt davor und danach fast ausschließlich in der Landesregierung. Solange die ÖVP für ein weiteres halbes Jahrzehnt fünf von neun Landesratsposten für sich gesichert weiß, steht der Fortsetzung der beinahe unumschränkten schwarzen Dominanz in Niederösterreich so gut wie nichts weiter im Wege.

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NÖ Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner: "Es steht vieeeel auf dem Spieeeel!"

 © APA/HELMUT FOHRINGER

„Die Hanni wird zwischen 42 und 44 Prozent einfahren“, lautet der Tenor unter vier Augen bei ÖVP-Spitzenleuten. Damit geht zwar die absolute Mehrheit am Nebenschauplatz Landtag verloren, die absolute Mehrheit am Hauptschauplatz Landesregierung bleibt – so die Faustformel der Wahlforscher – mit einem Ergebnis über 40 Prozent weiterhin gesichert.

Die von der ÖVP-NÖ-Spitze aufgeregt ausgegebenen Wahlkampf-Parolen werden Backstage als das gewertet, was sie sind. Wenn Johanna Mikl-Leitner mit Grabesstimme und in einem Sprechtempo, das dramatisch anmuten soll, immer wieder skandiert “Es steht vieeeel auf dem Spieeeel", dann ist intern klar: Die ÖVP-Landeshauptfrau will damit ihre Funktionäre für die letzten Tagen bis zum 29. Jänner noch zum Endspurt im Häuserkampf um jede Stimme anspornen. Ihr Appell geht nicht ins Leere. Denn Niederösterreich streifte sich nur kurzzeitig die ÖVP-Modefarbe Türkis über.

Davor und danach war das Vier-Viertel-Land immer tiefschwarz. Im größten Bundesland ist – österreichweit einmalig – jeder sechste Erwachsene ÖVP-Mitglied. Mit 220.000 Mitgliedern hat die ÖVP in Niederösterreich – lassen Mikls Spitzenfunktionäre gerne spitz wissen – “mehr Parteimitglieder als die SPÖ in ganz Österreich und mehr als die CSU in ganz Bayern.”

ÖVP-Chef Karl Nehammer und ÖVP-Innenminister Gerhard Karner, die beide ihr Handwerk bei Erwin Pröll gelernt haben und Johann Mikl-Leitner ihre aktuellen Spitzenjob verdanken, werden ihre Erfinder danach nur schwer vorwerfen können, nicht das gewünschte Begleitfeuer gegeben zu haben. Ein ÖVP-Regierungsmann resümiert trocken:

„Ab vergangenen Herbst wusste jeder in den ÖVP-Kabinetten: Es ist alles zu vermeiden, was Niederösterreich schaden könnte und es ist tunlichst alles umzusetzen, was sich Niederösterreich wünscht.”

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Bundeskanzler Karl Nehammer mit seinen politischen Zieh-Eltern aus Niederösterreich, Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und Alt-Landeshauptmann Erwin Pröl beim Wahlkampfauftakt der ÖVP NÖ am 9. Jänner 2023.

 © APA/HELMUT FOHRINGER

Nehammer & Co glauben sich so für allfällige unangenehme Debatten gut gerüstet. Sie sehen sich im schwarz-türkisen Stimmenkampf auf der Habenseite: Zum einen mit dem wochenlangen türkisen Daueralarm in Sachen Asyl, dem Propaganda-Feuer gegen den Schengen-Betritt, den jüngsten Kontroll-Visiten in Sachen EU-Grenzzaun von Gerhard Karner in Polen und der von Kanzler und Innenminister an der bulgarischen EU-Außengrenze. Zum anderen mit der ungenierten aber erfolgreichen Obstruktion gegen die von der Opposition erzwungene, praktisch aber gescheiterte Verlängerung des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss.

Diese politische Rechnung wird aber nur aufgehen, wenn die ÖVP nicht allzu stark Richtung FPÖ ausrinnt. Auch in der ÖVP stellen sich immer mehr die Frage, ob Nehammer & Co mit dem Hochspielen des Flüchtlingsthemas nicht primär Herbert Kickl den Stimmen-Teppich legten.

In politischen Kreisen der Bundeshauptstadt machen sich freilich immer mehr Schwarze eher Sorgen über den Zustand der größten Oppositionspartei denn den der Kanzlerpartei. „Das Regieren mit den Grünen war zuletzt zwar nicht sehr einfach“, sagt ein ÖVP-Regierungs-Insider, „Aber eine Fortsetzung der Zusammenarbeit steht weder bei den Grünen noch bei uns nach dem 29. Jänner keine Sekunde zur Disposition.“

Vor allem sozialpartnerschaftlich sozialisierte Schwarze blicken mit gemischten Gefühlen einem möglichen schwarzen Sonntag für die Roten entgegen. In allen Umfragen zählt die SPÖ, die bei der letzten Landtagswahlen auf bescheidene 24 Prozent der Stimmen kam, hartnäckig zu den Wahlverlierern.

In einer unveröffentlichten Umfrage vom vergangenen Wochenende kam die ÖVP auf 41 Prozent, SPÖ und FPÖ auf je 22 Prozent. In einigen veröffentlichten demoskopischen Befunden haben die wiedererstarkten Blauen die NÖ-Landes-Roten bereits überholt und auf schmachvollen Platz 3 verwiesen.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner lässt sich gemeinsam mit dem roten Loser Franz Schnabl so gut wie nie blicken. Auch dieses Wochenende zieht sie Wahlkampf-Auftakt-Termine in Kärnten (wo Anfang März gewählt wird) Auftritten im Wahlkampf-Finale in Niederösterreich vor.

Die schwarzen Sorgen um das Schicksal der Roten sind vor allem in ÖVP-Wirtschaftskreisen alles andere als Krokodilstränen. Schwarz-Grün ist spätestens im Herbst 2024 Geschichte, eine Neuauflage von Schwarz-Blau mit Herbert Kickl am Tisch kommt für viele – gerade in der NÖ-ÖVP – nur als Notnagel in Frage.

„Unser Ziel sollte es doch sein, dass bei der nächsten Wahl ÖVP und SPÖ halbwegs gleichauf durchs Ziel gehen, damit danach ein gemeinsamer Neustart auf Augenhöhe möglich wird“, sagt ein Spitzen-ÖVP-Mann. Mit einer neuerlich aus dem Burgenland angezettelten und wochenlangen Spitzenkandidatinnen-Debatte rechnen führende rote Funktionäre auch nach Stimmverlusten der NÖ-Landesroten nicht.

Das rote Dauerdrama, „Kann es Pam?“ ist – so das SPÖ-interne Commitment von Spitzengenossen – auf die Zeit nach den drei Landtagswahlen in Niederösterreich, Kärnten und Salzburg vertagt. Auch überzeugte Rendi-Wagner-Kritiker resümieren derzeit mehr seufzend, denn zufrieden: „Sie ist aus heutiger Sicht als Spitzenkandidatin bei der nächsten Wahl unumgehbar.“

In Stein gegossen ist die alles andere als begeisterte Parole noch lange nicht.

Wie blank die Nerven in der SPÖ-Zentrale sind, zeigen die jüngsten SPÖ-internen Kabalen rund um eine mögliche Personalie in der zweiten Reihe. In dieser Kolumne wurde kurz nach den Feiertagen über ernsthafte interne Pläne berichtet: „Der erfolgreiche Ex-Rapid-Manager Christoph Peschek, einst ‘größtes politisches Talent der SPÖ’ (Michael Häupl), soll die brustschwache Partei-Zentrale auf Siegkurs bringen. Er soll für die SPÖ wieder mehr der Sprache der Hartplätze statt der Bobo-Bezirke sprechen.“

Nachdem einige andere Medien die trend-Story nach eigenen Recherchen weitergezogen hatten, war in der SPÖ-Zentrale in der Wiener Löwelstraße endgültig Feuer am Dach. Die Parteiführung witterte offenbar eine neuerliche Attacke von Hans Peter Doskozil. Der burgenländische SPÖ-Landeshauptmann war freilich nicht Erfinder der Personalie. Er hat, sagen Dosko-Kenner, auch kein ausgeprägtes Interesse, der ungeliebten Parteichefin helfend unter die Arme zu greifen, in dem er sich für einen zusätzlichen Parteimanager stark macht.

Die Kommunikatoren von Parteichefin Pamela Rend-Wagner gerieten dennoch zunehmend in Alarmstimmung und fuhren nach einer mehrtägigen Schrecksekunde schwere Geschütze gegen eine mögliche Unterstützung für die Parteichefin auf. „Wir nehmen sicher keine Zweiligisten für die Löwelstraße“, ließ die Parteiführung Medien wissen – in Anspielung auf die Tatsache, dass Peschek zu diesem Zeitpunkt – nach wochenlangem Schweigen aus der Parteizentrale – zudem bereits auch als Manager eines Zweitliga-Fussball-Klubs im Gespräch war.

„Eine souveräne Reaktion einer selbstsicheren Führung schaut anders aus“, sagt ein langjähriger SPÖ-Stratege. „Die wäre gewesen: Er ist ein guter Mann, aber wir sind schon besetzt. Wer aber zu einer derartigen Abwertung greifen muss, ist und bleibt im Eck.“

Bei Peschek, erzählte dieser ob dieser Nadelstiche mehr amüsiert denn irritiert im kleinen Kreis, langten nach der trend-Story Dutzende nur wohlwollende Anrufe ein: „Es wäre super, wenn Du das machen würdest.“ Sowohl von prominenten Genossen in den roten Bundesländern als auch führenden Gewerkschaftern gab es freundliches Schulterklopfen und Applaus.

Die von sozialdemokratischen Spitzenfunktionären aus der zweiten Reihe in den letzten Wochen 2022 innerhalb der SPÖ schneeballartig lancierte Idee ist vorläufig wieder Geschichte. Der Ex-Rapid-Manager nahm Mitte vergangener Woche das Angebot an, den Linzer Fussball-Klub Blau-Weiß statt die fußmaroden Roten in der Löwelstraße zu managen.

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Christoph Peschek (Mitte) am 18.1.2023 bei der Vorstellung als neuer Geschäftsführer des FC Blau Weiß Linz, flankiert von Vorstandschef Sargon Mikhaeel und Vorstandsmitglied Philipp Kaufmann.

 © pictureshooting.at, Albert Miskovits

Pamela Rendi-Wagner saß so auch den jüngsten Versuch von besorgten Spitzengenossen aus, Verstärkung für die unter dem politischen Radarschirm agierende Parteizentrale zu organisieren. Die rote Klubobfrau griff bis heute nicht einmal zum Telefonhörer, um zumindest in einem persönlichen Gespräch auszuloten, ob ihr mit Christoph Peschek nicht doch eine Chance zum eigenen politischen Überleben oder dem der SPÖ entgangen sein könnte.

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