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Sepp Schellhorn: „Bitteres Erwachen“

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Unternehmer und Nationalratsabgeordneter Sepp Schellhorn

©News/Ricardo Herrgott
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Gastkommentar: Der Unternehmer und Neos-Abgeordnete Sepp Schellhorn über die mittel- und langfristigen Folgen von Blau-Schwarz.

Ist das, was jetzt wahrscheinlich kommt, aus Sicht der Wirtschaft besser als das, was gescheitert ist? Als Unternehmer könnte ich auf den ersten Blick sagen: sehr wahrscheinlich ja. Als verantwortungsvoller Staatsbürger, Politiker und Unternehmer, muss ich sagen: Ich bin mir nicht mehr so sicher.

Der Patient österreichische Wirtschaft ist in bedrohlichem Zustand. Kurzfristig fressen die Kosten für Energie und Personal die Wettbewerbsfähigkeit auf, langfristig bedrohen strukturelle Probleme die Überlebensfähigkeit. Und auch die Umwelt trägt keine gute Luft zur Genesung bei. Wie können wir als kleine Binnenvolkswirtschaft angesichts eines Europa im Krisenmodus, globaler Handelskriege und neuer militärischer Kriege gesund werden?

Machen wir uns nichts vor – selbst die beste Bundesregierung aller Zeiten könnte nur bei der Notversorgung assistieren und für die langfristige Genesung die Infrastruktur zur Verfügung stellen. Schlechte Politik aber gefährdet die Heilung massiv und würde im schlimmsten Fall dem Patienten die notfallmedizinischen Geräte abdrehen.

Den Konsens über die notfallmedizinische Versorgung der österreichischen Wirtschaft haben ÖVP, SPÖ und Neos nicht gefunden. Ich möchte mit dem Kapitel Schuldzuweisung abschließen. Nur so viel: In unseren Augen wären ernsthafte Reformen die einzig wirksame Therapie gewesen: beherzte Eingriffe ins Budget und eine Aorta-Entkalkung bei Pensionen und dem Föderalismus.

Ja, es ist leicht möglich, dass Blau-Türkis mehr in das Regierungsprogramm schreibt, als die SPÖ in den Monaten der Verhandlungen zugelassen hat. In der Realität werden aber so manche „Knillche“ ein bitteres Erwachen erleben. Denn die Verhandlungen haben abseits von Störfeuern schon auch gezeigt, wie komplex und verantwortungsvoll die Sanierung unseres Budgets ist. Und Hand aufs Herz: FPÖ und Komplexität, FPÖ und Verantwortungsbewusstsein? Wer’s glaubt, wird sehr selig.

Am Ende wissen wir doch alle, wie es ausgehen wird: Man wird sich auf halbherzige Sanierungsmaßnahmen ohne weitreichende Reformen einigen, das Ganze mit einer ordentlichen Prise Populismus abgefedert. Und wenn es sich nicht ausgeht, ist diese EU schuld, die uns unterjochen will – und nicht der ungebremste Ausgabenrausch der Bundesländer, die zwar für was zuständig, aber für nichts verantwortlich sind. Wohlgemerkt sitzt auch die FPÖ schon in fünf Landesregierungen.

Was wollen wir mit einem Kanzler Kickl erreichen, wenn er mit seinem Freund Viktor Orbán den nächsten EU-Rat platzen lässt? Meine Unternehmen leben von Gästen aus Deutschland, aus Italien, aus der ganzen Welt. Offene Grenzen machen den schnellen Wochenendausflug in die österreichischen Berge erst attraktiv.

Wir schöpfen Kraft aus der Bewegung, Widersprüchen und der Kontroverse, die Künstlerinnen und Künstler entfachen. Und die bei Herbert K. verhassten „Eliten“ bei den Salzburger Festspielen sind entscheidende Player für den Fortbestand unseres Standortes. Hier findet Wirtschaft statt, daraus schöpft gerade Österreich seinen Wert.

Ein Arbeiter- und Bauernstaat, rein an Bevölkerung, aber arm an Vielfalt und Offenheit, wird unser Land nicht retten.

Blau-Schwarz könnte im ersten Moment gut sein für die Wirtschaft. Schon im zweiten Moment stellt sich die Frage, was diese Regierung nach fünf Jahren hinterlassen wird. Reformen für das Budget, den Standort, die Gesundheitsversorgung, die Bildung? Damit würden die Menschen und Unternehmen in diesem großartigen Land jedenfalls glücklicher werden.

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