Nach Hofer und Müller übernimmt der Handelsmanager Günther Helm die Führung des arabischen Retailkonzerns Cenomi und zieht mit Frau und drei kleinen Kindern nach Riad. Ein Gespräch über seine Motive und die Verlockungen des Geldes.
Am Tag, nachdem sein Wechsel an die Spitze von Cenomi in Saudi-Arabien bekannt wurde, erreicht der trend Günther Helm für ein Interview im Skiurlaub, wo er Berge und Schnee genießt, bevor es in die arabische Wüste geht. In Anspielung auf den dort engagierten Fußballstar bezeichnete er sich scherzhaft als "Ronaldo des Handels".
Günther Helm war vor seinem Absprung nach Saudi-Arabien zu Cenomi Chef des Diskonters Hofer und dann CEO des deutschen Drogeriekonzerns Müller.
CENOMI RETAIL mit Sitz in der saudischen Hauptstadt Riad ist ein Franchise-Einzelhändler, der 95 Marken in Saudi-Arabien und zwölf weiteren Ländern im Mittleren Ostens vertreibt. Darunter: Mango, Zara Home, Gerry Weber oder Massimo Dutti.
Cenomi, 1990 von drei Brüdern gegründet und börsennotiert, betreibt mit 10.500 Mitarbeitern über 1.800 Shops und 21 eigene Shopping Malls. Günther Helm will das auf Mode und Getränke konzentrierte Angebot auf andere Branchenmarken ausdehnen.
trend: Sie haben Job-Optionen in den USA und Österreich erwogen. Wieso ist es jetzt Saudi-Arabien geworden?
Ich habe immer geschaut, wo sich die größte Dynamik entwickelt. Europa ist derzeit eher nicht der Tummelplatz für Wachstum. Neben den USA wird das in Zukunft verstärkt auch der Mittlere Osten sein. Ich hatte diese Region immer auf dem Radar. Wie ist Kontakt zum Retailkonzern Cenomi in Riad zustandegekommen? In diesem Fall ausnahmsweise ganz klassisch durch einen Headhunter, der auf mich aufmerksam geworden ist. Ich wurde angesprochen, ob mich die Aufgabe interessiert.
Und was interessiert Sie daran?
Das ist für mich eine Once-in-a-Lifetime-Chance, um völlig neue Netzwerke zu knüpfen und Erfahrung zu gewinnen. Da können, wie man so sagt, nicht nur Türen, sondern Scheunentore aufgehen. Die Cenomi Group ist ein renommiertes Unternehmen mit einem internationalen Team aus aller Herren Länder. Und mich interessiert auch, einen neuen Kulturkreis kennenzulernen. Das ist zum jetzigen Zeitpunkt noch möglich, weil die Kinder noch nicht schulpflichtig sind.
Das heißt, Ihre ganze Familie geht mit nach Saudi-Arabien?
Ja, wir gehen alle zusammen. Wir sind und bleiben aber sehr heimatverbunden. Es ist keinesfalls als Flucht aus Österreich zu verstehen.
Was sagt Ihre Frau zur Aussicht, in einem streng islamischen Land zu leben?
Sie ist eine echte Lebensbegleiterin, die überall mit mir hingegangen wäre, und als Unternehmerin selbstbewusst genug, um überall ihren Weg zu machen. Wir starten gemeinsam in dieses Abenteuer.
Sie waren konkret für eine Führungsfunktion bei Signa im Gespräch. Warum wurde daraus nichts?
Ich habe keine Entscheidung gegen Signa getroffen, sondern für die Aufgabe in Saudi-Arabien. Ich schätze René Benko sehr. Er ist einer der wenigen Unternehmer, die 24/7 für ihre Unternehmen und Mitarbeiter rennen. Und das sehr erfolgreich.
Wurden Sie wie Fußballstar Christiano Ronaldo vom Geld nach Saudi-Arabien gelockt?
Geld ist nicht alles, aber klar ist der Job gut bezahlt. Das wäre bei Signa aber auch der Fall gewesen. Ich verhehle nicht, dass die steuerliche Komponente ein gewisser Anreiz ist, weil man in Riad nicht wie in Österreich bis zum September für den Staat arbeitet. Vor allem aber glaube ich, dass diese Herausforderung meiner persönlichen Entwicklung nützen wird.
Wie weit weg sind Sie von 200 Millionen Euro Jahresgehalt von Ronaldo?
Da fehlen ein paar Nullen. Ich kann auch bei Weitem nicht so gut Fußball spielen, obwohl ich es sehr gerne tue. Es zeugt aber von der Transformation, in dem sich das Land befindet, Leute wie Ronaldo zu holen und damit die Jugend für den Sport zu begeistern.
Mit welchen Vorstellungen hat man Sie geholt?
Im Einzelhandel ist Perfektion in den Operations das Allerwichtigste. Und da haben wir in Österreich große Tugenden, weil unser Markt gemeinsam mit Deutschland der wettbewerbsintensivste der Welt ist. Offenbar traut man mir auch die Leadership zu, den Wandel im Unternehmen voranzutreiben. Und ich kann helfen, das derzeit von Mode- und Getränkemarken dominierte Geschäft in weitere Sparten auszudehnen.
Cenomi hat 50 Millionen Euro Verlust in den letzten drei Quartalen veröffentlicht. Gibt es auch ein finanzielles Problem zu lösen?
Nein. Ich glaube, das hat vor allem mit Abschreibungen zu tun. Aber natürlich gibt es wie überall ein paar Prozesse zu optimieren.
Keine Vorbehalte gegen das politische System in Saudi-Arabien?
Ich habe noch keinerlei Erfahrungen gemacht und kann darum nichts dazu sagen.
Mit der arabischen Mentalität kommen Sie zurecht?
Bis dato ja. Ich muss halt bis auf Weiteres auf ein gutes Glas Wein am Abend verzichten. Aber das ist auszuhalten.
Der Artikel ist der trend.PREMIUM Ausgabe vom 10. März 2023 entnommen.