Klemens Haselsteiner hat 2023 die Führung der Strabag mit weltweit 73.600 Mitarbeitern in fast 300 Konzerngesellschaften in 70 Ländern übernommen.
©trend / Lukas Ilgner NEUKlimaschutz ist für ihn unverhandelbar, das Russland-Geschäft Geschichte, in den USA sieht er einen potenziellen Zukunftsmarkt: Klemens Haselsteiner, Sohn von Hans Peter Haselsteiner, dem langjährigen CEO des Baukonzerns Strabag, skizziert im Interview die Zukunft des Baukonzerns, den er seit Anfang 2023 leitet.
trend : Sie werden bei Strabag-Veranstaltungen bereits stolz als "unser zukünftiger CEO" begrüßt. Wie bereiten Sie sich auf die Chefrolle vor?
Klemens Haselsteiner: Mein Vorteil ist: Ich durfte Strabag bereits aus ganz verschiedenen Perspektiven kennenlernen. So konnte ich einen guten Überblick über das Gesamtunternehmen entwickeln. Inzwischen habe ich mich um Nachfolger für meine jetzigen Verantwortungsbereiche gekümmert. Die Managementebene - neben dem Vorstand sind das auch die Unternehmensbereichsleiter - formiert sich für die nächsten Jahre neu. Ich habe mit ihnen allen Gespräche geführt und versuche, auf diese Art direkt von der Basis Einblicke zu bekommen. Und am Ende mache ich auch ganz einfach Hausaufgaben und bin etwa bei Meetings mit Thomas Birtel dabei. Er hat zehn Jahre Erfahrung als CEO und ist ein guter Ratgeber.
Mögen Sie dieses Hemdsärmelige? Festreden? Das Schütteln von Bürgermeisterhänden?
Ja. Wobei ich, offen gestanden, informelle Gespräche mehr schätze als offizielle, staatstragende Gespräche.
Seit Sie im Strabag-Vorstand sind, werden Sie immer auch als Sohn von HPH kommentiert. Wie gehen Sie mit den ständigen Vergleichen um?
Nach 15 Artikeln "Wie der Vater, so der Sohn" habe ich kein gesteigertes Interesse mehr daran. Wenn Sie aber unbedingt über meinen Vater reden wollen, kann ich sagen: Ich habe kein Problem, mit ihm verglichen zu werden. Ich streite auch nicht ab, dass wir uns in vielem ähnlich sind. Und das nehme ich auch mit in meine künftige Aufgabe, Verantwortung für ein Unternehmen zu tragen. Strabag ist zwar heute ein großer internationaler Konzern, aber doch im besten Sinne ein Familienunternehmen geblieben.
Es gibt zumindest im deutschsprachigen Raum kaum Unternehmen der Umsatzklasse 15-Milliarden-plus, in dem ein Mitglied der Eigentümerfamilie als CEO in die Fußstapfen des Vaters tritt.
Aditya Mittal von Mittal Stahl. Der ist zwar Inder, aber das passt ja auch.
Zu Ihren bisherigen Agenden im Vorstand gehört Nachhaltigkeit. Strabag will bis 2040 klimaneutral sein. Wie schwer ist es, diesen Gedanken in die Köpfe Ihrer fast 75.000 Mitarbeiter zu bringen? Nicht alle sind vermutlich Greta-Thunberg-Fans.
Nein, aber niemand stellt die Notwendigkeit in Frage: Der Bau steht für 38 Prozent der CO2-Emissionen weltweit. Viele unserer Bauingenieure lieben aber natürlich Stahlbeton und rümpfen die Nase, wenn jemand sagt, wir sollten mehr aus Holz bauen. Bei den Älteren gibt es zudem vielfach auch die Angst, dass wir uns die mit dem Klimaschutz verbundenen Investitionen nicht leisten können und somit nicht mehr konkurrenzfähig sind. Von den Jüngeren kommt hingegen Druck, zu handeln. Sie wollen wissen, was wir als Unternehmen fürs Klima tun. Mein Ziel ist, beides zu vereinen zu einer Strabag, die innovativ und profitabel, resilient und nachhaltig ist - egal, was kommt.
Ihre größten CO2-Posten sind Diesel und Kohlestaub. Was kann die Strabag effektiv machen, um zu dekarbonisieren?
Genau, der Dieselverbrauch ist ein großes Thema, über unseren Fuhrpark und unsere Baumaschinen. Wir sind eng in Kontakt mit den Herstellern und schauen uns alles an, was es am Markt an Alternativantrieben gibt. Wir haben zum Beispiel schon einen Hybridbagger getestet, der beim Absenken Strom erzeugt. Der Kohlestaub, den wir in den Asphaltmaschinen verwenden, ist ein Nebenprodukt der Braunkohlekraftwerke in Deutschland und hätte somit mit dem politisch paktierten Ausstieg ein Ablaufdatum, das nun allerdings nach hinten verschoben wurde. Kurzfristige Alternativen sind Gas und Öl, aber auch hier suchen wir nach nachhaltigen Alternativen. In einem Forschungsprojekt evaluieren wir den Betrieb mit Wasserstoff.
Sie reklamieren eine "führende Rolle" beim Klimaschutz in der Branche. Aber was heißt das konkret?
Dass wir konsequent am Fortschritt arbeiten. Das bringen wir auch mit unserem neuen Konzernslogan "Work On Progress" zum Ausdruck. Wir wollen Vorreiter sein, immer wieder Neues versuchen. Für den Bau gibt es nicht die eine Antwort, dafür ist unser Geschäft zu komplex. Seriös beantwortbar ist die Frage, wie wir damit im Branchenvergleich stehen, deshalb auch nicht. Die Geschäftsfelder sind zu unterschiedlich, und wir ringen noch um die Messbarkeit, weil wir die Transparenz in unseren Lieferketten noch nicht haben. Ich bin jedenfalls überzeugt davon, dass der Trend der Nachhaltigkeit weitergeht, durch den Krieg in der Ukraine und die Energiepreis-Situation wird es jetzt sogar eine Beschleunigung geben.
Sie sehen keine Gefahr, dass man fossile Energie mit Fortdauer des Kriegs in der Ukraine länger toleriert?
Die Krise ist natürlich ernst zu nehmen und die Auswirkungen vor allem auf die niedrigeren Einkommen beträchtlich. Deshalb sind fossile Lösungen derzeit bequem. Ich glaube aber nicht, dass es gelingen wird, die Vorgaben des Green Deals der EU zu revidieren. Es sind inzwischen nicht mehr nur die jungen Idealisten an der Uni, sondern es ist die Breite der Bevölkerung, die das Thema verstanden hat. Für mich ist es aus zwei Gründen nicht zulässig, die Transformation zurückzudrehen: Zum einen ist es moralisch nicht vertretbar, dass wir unsere Welt wie einen Mülleimer verwenden. Zum anderen halte ich es für erstrebenswert, Herr des eigenen Schicksals zu sein und damit die Zukunft in der eigenen Hand zu haben. Aus Sicht des Risikomanagements ist es sinnvoll, sich aus der Abhängigkeit von fossilen Energien zu befreien.
Key Facts Strabag AG
Hinter der OMV und der Porsche Holding ist die Strabag nach den Umsätzen gemessen im trend TOP 500 Ranking das drittgrößte Unternehmen Österreichs.
Umsatz (2021) 15,3 Mrd. €
Konzerngewinn (2021) 585 Mio. €
Auftragsbestand (Ende 2021) 24 Mrd. €
Mitarbeiter (Ende 2021) 73.600
CO2-Emissionen (2021) 763.000 t
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Nun emittiert die Strabag, ein großer internationaler Konzern, jährlich über 700.000 Tonnen CO2. Bei der Voestalpine sind es allein am Standort Linz neun Millionen Tonnen, mehr als das Zehnfache. Kommen Sie sich, was die Wirkung betrifft, nicht vor wie die Mücke neben dem Elefanten?
Die Frage per se finde ich nicht zulässig. Denn wenn ich sie zulassen würde, müsste ich sagen: China, mach mal! Jeder soll vor der eigenen Haustür kehren, und dann schauen wir einmal, wie weit wir kommen.
Sie sind auch für Innovation und Digitalisierung zuständig, wo setzen Sie da zur CO2-Reduktion an?
Wir haben mehr als 250 Innovations- und 400 Nachhaltigkeitsprojekte. Dabei denken wir entlang unserer kompletten Wertschöpfungskette vom Steinbruch bis zum Gebäudebetrieb. Wir fangen im Kleinen an und schauen, ob es funktioniert. Wir evaluieren etwa, wo wir Strom zur Eigennutzung erzeugen können, nicht nur auf Bürogebäuden, sondern auch auf Baustellen, um etwa kleine Geräte aufzuladen. Oder wie in Saalfelden, wo der Steinbruch seinen eigenen Strom erzeugt.
Können Sie mit Automatisierung das Problem der Arbeitskräfteknappheit lösen?
Wir haben 3.600 offene Stellen im Konzern, nicht alle werden wir besetzen können - so viel ist klar. Wir testen alle möglichen Arten von Robotern, vom Maurer- bis zum Malroboter. 3D-Druck hat ein großes Potenzial in Teilbereichen, auch wenn die Technologie noch in den Kinderschuhen steckt. Sicher ist, dass der Markt von Modulbauweisen immer größer wird, aber am Ende des Tages bleibt es eine Nische. Unser Hauptgeschäft bleibt Losgröße eins. Ein Brenner-Basistunnel wird kein zweites Mal identisch so gebaut. Bauen ist und bleibt etwas sehr Individuelles.
Wie ist es zu Ihrer Verantwortung für das Russland-Geschäft gekommen?
Es wird ja nun in Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine abgewickelt. Ich hatte die Verantwortung für Russland übernommen, da ich selbst dort fünf Jahre tätig war, die handelnden Personen kenne und Russisch spreche. Das Geschäft hat schon in den letzten Jahren stark an Bedeutung verloren. Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine war für uns im Vorstand klar, dass wir dort nicht weiter Geschäft machen wollen. Das trage ich als zuständiger Vorstand persönlich zu 100 Prozent mit.
Wie weit sind Sie?
Ein Rückzug aus einem Markt dauert leider lange. Die operative Bautätigkeit sollte im Lauf des Jahres 2023 abgeschlossen sein.
Wie läuft das unter den gegebenen Bedingungen ab?
Wir haben ja ein lokales Management. Die Russen sind Kummer gewohnt. Dass die Abwicklung friktionsfrei läuft, wäre übertrieben, aber die Mannschaft hat die Hoffnung auf ein Wunder - das Wunder, dass es einen Ausgleich Russlands mit dem Westen gibt. Ich persönlich glaube nicht daran.
Andere Unternehmen bleiben drin, von Red Bull bis zu Holzindustriellen. Ist das ethisch vertretbar?
Da maße ich mir kein Urteil an. Ich glaube aber nicht, dass ein Unternehmen, das dort groß investiert hat und deshalb jetzt bleiben will, weil es sonst vor einer existenzbedrohenden Situation steht, automatisch faschistische Züge hat.
Strabag-Großaktionär Oleg Deripaska ist mit EU-Sanktionen belegt. Er wird nicht mehr Teil eines neuen Syndikats der Kernaktionäre sein. Hat er dennoch das Potenzial, auf Jahre hinweg lästig zu sein?
Das kann sein, aber ich glaube: unbedeutend lästig, weil trotzdem das neue Syndikat die Mehrheit hält. Wir sind zuversichtlich, dass er mit seinen Anfechtungsklagen nicht Recht erhält, da wir überzeugt sind, dass die EU-Sanktionen seine Rechte eingefroren haben.
Von außen war lange nicht einschätzbar, wie nahe Deripaska Putin steht. Ist es Ihnen in der Innensicht früher gedämmert?
Dass er ein Oligarch ist, war bekannt. Dass Oligarchen in Russland eine Nähe zur Politik haben, ebenso. Eine besondere Nähe zu Putin wird Deripaska zwar unterstellt, ich kann das allerdings nicht beurteilen. Diese Nähe zu behaupten, ist reine Spekulation. Deripaska selbst bestreitet sie. Ihre Frage müsste lauten: Haben Sie vor dem 24. Februar erkannt, dass Putin nicht zurechnungsfähig ist? Die Antwort ist: Nein. Sorgen hatte ich immer, aber das, was dann gekommen ist, habe ich nicht kommen gesehen.
Wie wird sich die neue geopolitisches Situation auf die Märkte auswirken, in denen Sie künftig hauptsächlich ihr Geschäft machen werden?
Natürlich wird im Vorstand eine strategische Diskussion dazu geführt, die noch nicht final abgeschlossen ist, aber der Kurs ist klar: Wir gehen in Märkte, die unsere Stärken bevorzugen. Wo Rechtssicherheit und politische Stabilität fraglich sind, wo Preiskämpfe zu erwarten sind - Stichwort: milliardenschwere, staatliche chinesische Baufirmen -, dort sind keine guten Märkte für uns. Die angelsächsischen Märkte hingegen sind per se für uns spannend. In Großbritannien und Kanada sind wir bereits durchaus erfolgreich.
Könnten auch die USA wieder ein Thema werden? Dort haben sich Ihr Vater in den 1980ern eine blutige Nase geholt.
Die USA wären interessant, ja, trotz der Vorgeschichte. Auch Australien. Südamerika je nach Land. In Afrika haben wir immer wieder Großprojekte umgesetzt. Da brauchen wir einen neuen strategischen Ansatz. Afrika besteht aus über 50 Ländern - da wollen wir ein paar identifizieren, die die richtigen Voraussetzungen bieten, die wir brauchen. Ich bin sicher, dass es sie gibt.
ZUR PERSON
Klemens Peter Haselsteiner
Geboren: 15.12.1980
Familienstand: Verheiratet, Vater von drei Kindern
Ausbildung: Betriebswirt (BSc); Universität Chicago
Position: CEO Strabag SE seit 1.1.2023
PORTRÄT Klemens Peter Haselsteiner: Der neue CEO des Baukonzerns Strabag