Viele B2B-Verkäufer betrachten die Einkäufer in den Unternehmen als Gegner. Also versuchen sie, diese auszutricksen und zu umgehen. Das ist selten zielführend, erklärt Managementberater Peter Schreiber.
„Der hat von technischen Dingen keine Ahnung.“ „Der will und kann mich nicht verstehen.“ „Der schaut nur auf den Preis.“ Derartige Aussagen hört man von Verkäufern oft über Einkäufer. Immer wieder spürt man im Gespräch mit ihnen: Sie sprechen den Einkäufern die nötige fachliche Kompetenz ab und sehen in ihnen eher Gegner als Partner.
Verkäufer, die so reden, haben oft den Job der Einkäufer nicht verstanden. Zu ihren Aufgaben zählt es, möglichst „preis-wert“ einzukaufen. Deshalb können sie zu Verkäufern – selbst wenn sie hiervon überzeugt sind – nicht einfach sagen „Ihr Produkt ist das beste“ oder „Ihre Lösung ist die beste“. Denn das würde ihre Verhandlungsbasis schwächen. Also äußern sie sich selbst dann skeptisch, wenn sie die Vorzüge bzw. den Mehrwert durchaus sehen.
Einkäufer sind Beschaffungsmanager
Den Einkäufer, der nur Kataloge wälzt, Angebote vergleicht und Aufträge verteilt, gibt es schon lange in den meisten (Produktions-)Unternehmen nicht mehr. Einkäufer sind vielmehr Beschaffungsmanager. Sie sind Experten, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung technische Prozesse und Zusammenhänge durchaus verstehen. Sie haben zudem ein großes Know-how über (betriebs-)wirtschaftliche Zusammenhänge, denn in der Regel sind sie nicht nur für die Bestellungen zuständig. Sie müssen vielmehr ein gezieltes Beschaffungsmanagement betreiben. In entsprechend viele bereichs- und oft sogar firmenübergreifende Projekte sind sie eingebunden. Folglich wissen sie, vor welchen (produktions-)technischen und (betriebs-)wirtschaftlichen Herausforderungen ihr Unternehmen steht.
Weil Verkäufer die Bedeutung der Einkäufer falsch einschätzen, begehen sie oft folgenden Fehler: Sie konzentrieren sich bei der Akquise auf die Fachabteilungen. Mit den Verantwortlichen in diesen Abteilungen entwerfen sie die gewünschte Problemlösung. Begeistert werfen sie sich dabei den Ball „Da könnten wir dies und das tun“ zu. Dann steht die Lösung und der Verkäufer fragt: „Kann ich Ihnen dazu das Angebot schicken.“ Dabei verrät der Ton seiner Stimme bereits: Bitte ersparen Sie mir den Kontakt mit den Einkäufern, denn die verstehen nicht, was wir beide besprochen haben.
Der Verkäufer schickt also sein Angebot an den „Kollegen“ in der Fachabteilung. Bei ihm fragt er einige Tage später auch nach: Ist das Angebot „okay? Dessen Antwort lautet in der Regel: Ja, wenn wir da noch was wegnehmen oder dort noch etwas mit dem Preis runtergehen, kommen wir zusammen. Und der Verkäufer? Er reibt sich die Hände und denkt: Den Auftrag habe ich in der Tasche.
Doch eine Woche später ist der Auftrag noch immer nicht auf seinem Tisch bzw.in seinem Mail-Account. Stattdessen ruft ein Einkäufer an und sagt: „Ich habe eine Bedarfsmeldung der Fachabteilung xy vorliegen ...“. Sofort widerspricht der Verkäufer: „Pardon, das ist keine Bedarfsmeldung, sondern eine Bestellung.“ Und schon hat er einen Konflikt mit dem Einkäufer, denn der Hinweis, dies sei eine Bestellung, stellt dessen Kompetenz und Daseinsberechtigung in Frage. Denn Einkäufer betrachten es als ihr (alleiniges) Recht, Bestellungen vorzunehmen. Dies sagt der Einkäufer auch mehr oder minder deutlich dem Verkäufer. Pocht dieser dann weiterhin darauf, die Bedarfsmeldung sei eine Bestellung, fühlt sich der Einkäufer in seiner Funktion nicht ernst genommen. Also versucht er alles, damit der Verkäufer den Auftrag nicht erhält – allein schon, um sein „Revier“ zu markieren.
Beim Einkäufer ein Wertbewusstsein schaffen
Um solche Pannen zu vermeiden, sollten Verkäufer beim Versuch, Neukunden und Aufträge zu akquirieren, den (oder die) Einkäufer möglichst früh ins Boot holen – aus fachlich rationalen und aus persönlich emotionalen Gründen. Fachlich rational ist das Einbeziehen des Einkäufers wichtig, weil dieser zwar „preis-wert“ aber nicht billig einkaufen möchte. Um „preis-wert“ einkaufen zu können, muss er den Wert der Leistung kennen.
Hierfür ein Beispiel: Ein Produktionsunternehmen benötigt für seine Fertigungsanlage Dichtungen. Angeboten werden ihm auch Dichtungen, deren Lebensdauer zwanzig Prozent höher ist als die der anderen. Die Dichtungen kosten aber drei Mal so viel. Trotzdem bevorzugt der Produktionsleiter die teuren Dichtungen, weil das Auswechseln der Dichtungen viel Zeit und der damit verbundene Fertigungsstillstand viel Geld kostet. Diesen Zusammenhang gilt es dem Einkäufer zu vermitteln, sonst fragt er sich: Warum sollen wir für eine Dichtung, deren Lebensdauer nur 20 Prozent höher ist, den dreifachen Preis bezahlen? Anders ist dies, wenn er einmal sah, wie die Fertigung stillstand, weil Dichtungen ausgewechselt werden mussten. Dann kann er den Wert der Dichtungen einschätzen. Also relativiert sich für ihn der höhere Preis. Dieses Wertbewusstsein muss der Verkäufer beim Einkäufer im persönlichen Kontakt aufbauen.
Das Wertbewusstsein vermittelt dem Einkäufer auch Sicherheit. Denn er muss seine Kaufentscheidungen rechtfertigen. Deshalb präferiert er, wenn ihm mehrere Angebote vorliegen, zunächst das billigste, sofern ihm im persönlichen Kontakt und im schriftlichen Angebot nicht ausreichend Argumente geboten werden, um seine Entscheidung für die teurere Lösung zu begründen. Diese Argumente sind nicht rein fachlicher Natur. Auch Faktoren wie „bisherige Erfahrung mit dem Verkäufer/Anbieter“ und „Sympathie für ihn“ spielen eine Rolle; ebenso in Zeiten wie den aktuellen, in denen die Lieferketten immer wieder zusammenzubrechen drohen, solche Faktoren wie Liefersicherheit und -geschwindigkeit. Auch deshalb sollten Verkäufer früh versuchen, eine persönliche Beziehung zum Einkäufer aufzubauen.
Den „Draht“ zwischen Einkauf und Fachabteilung ermitteln
Hierfür muss er zunächst ermitteln: Wie ist die Beziehung zwischen Einkauf und Fachabteilung? Dies können Verkäufer, indem sie ihre Kontaktperson in der Fachabteilung zum Beispiel fragen: „Wenn bei Ihnen so etwas beschafft wird, wer ist dann in diesen Prozess involviert? Hierauf kann die Kontaktperson unterschiedliche Antworten geben. Zum Beispiel „Das weiß ich nicht.“ Oder: „Das machen wir alleine.“ Oder: „Ich glaube Herr Meyer.“ Oder: „Das macht der Karl Meyer, mit dem ich früher in einer Abteilung war.“ Wichtig ist, dass der Verkäufer nicht nur darauf achtet, was die Kontaktperson sagt, sondern auch wie sie es sagt.
Erfährt der Verkäufer, dass „der Meyer“ für den Einkauf zuständig ist, könnte seine nächste Frage lauten: „Kann ich bei Herrn Meyer mal vorbeischauen und mich ihm vorstellen?“ Auf diese Frage sollte stets eine Begründung folgen, damit die Kontaktperson nicht das Gefühl hat: Der denkt, dass ich nichts zu sagen habe. Die Begründung kann lauten: „Meine Erfahrung bei anderen Kunden zeigt, dass wir, wenn wir die erarbeitete Lösung durchbringen möchten, den Einkauf früh ins Boot holen sollten. Sonst stellt er sich später quer und Sie haben eine Menge Mehrarbeit.“
Auch hierauf kann der Partner unterschiedliche Antworten geben. Zum Beispiel: „Okay, ich rufe beim Meyer an.“ Oder: „Das machen wir beim nächsten Mal.“ Auch hier gilt: Wichtig ist nicht nur, was der Partner sagt, sondern auch wie er es sagt. Daraus kann der Verkäufer ableiten: Wie ist die Beziehung zum Einkauf? Und: Welches taktische Verhalten ist angesagt?
Dem Einkäufer vermitteln: Ich nehme Sie ernst.
Trifft der Verkäufer den Einkäufer, sollte er ihn keinesfalls nur mit technischen Daten und Detailinfos überhäufen, denn so lässt sich keine Beziehung aufbauen. Nun lautet die vordringliche Verkäuferaufgabe, dem Einkäufer zu vermitteln: Ich nehme Sie ernst und weiß, dass Sie eine zentrale Rolle spielen, wenn es darum geht, die Beschaffungsprozesse zu optimieren und dafür zu sorgen, dass das Unternehmen marktfähig produziert. Dabei kann ich Sie unterstützen.
Um das zu erreichen, muss der Verkäufer im Vorfeld Gesprächsthemen erarbeiten, die für den Einkäufer von Interesse sind. Solche Themen können sein:
Welche Anforderungen stellen Sie grundsätzlich an Lieferanten? Welche Wünsche haben Sie?
Welche Kriterien außer attraktive Konditionen fließen in Ihre Kaufentscheidung ein?
Bevorzugen Sie als Informationsmedium einen gedruckten Katalog, eine CD oder einen Internet-Shop?
Erfolgen die Bestellungen bei Ihnen über bestimmte „Files“? Zum Beispiel Electronic Data Interchange (E-DI)?
Neben solchen Fragen, die darauf abzielen, die Zusammenarbeit effektiv zu gestalten, sollte der Verkäufer dem Einkäufer aber auch Fragen stellen wie:
In welche Projekte sind Sie und Ihre Kollegen eingebunden?
Welche Kostensenkungs- und Entwicklungsprogramme laufen zurzeit in Ihrer Firma?
Welche Bedeutung hat für Ihr Unternehmen das Lieferkettengesetz?
In welchen Bereichen denken Sie aufgrund der aktuellen Situation über ein Out- oder Insourcing nach?
Solche Fragen ermöglichen es dem Einkäufer, sich zu profilieren und zu dokumentieren, welch wichtigen Beitrag er zum Unternehmenserfolg leistet. Zugleich gewinnt der Verkäufer durch die Antworten Infos darüber, wohin die Reise im Unternehmen geht.
Indem der Verkäufer mit dem Einkäufer solche Inhalte erörtert, zeigt er ihm: Ich nehme sie ernst. Erweist er sich dann noch im Gespräch und Alltag als kompetenter und zuverlässiger Partner, wächst allmählich eine Beziehung zwischen ihnen. Dies ist wichtig. Denn in die Kaufentscheidungen des Einkäufers fließt, wenn ihm mehrere ähnliche Angebote vorliegen, stets auch der Faktor „Sympathie“ ein.
Ziel: Um „letztes Angebot“ gebeten werden
Dieses Bevorzugen zeigt sich zum Beispiel darin, dass der Einkäufer, wenn er für mehrere Angebote die technische Freigabe hat, bei einem Verkäufer nochmals anruft und zu ihm beispielweise sagt: „Ich habe drei Angebote. Denken Sie mal darüber nach, was Sie beim Preis und bei den Liefer- und Zahlungsbedingungen noch tun können.“ Dies ist in der Regel ein deutliches Signal: Der Einkäufer möchte mit dem Verkäufer den Abschluss tätigen. Ihm fehlt aber noch etwas „Munition“, um dies intern zu rechtfertigen.
Ziel des Kontaktaufbaus sollte es also sein, dass der Einkäufer, wenn ihm mehrere Angebote vorliegen, den Verkäufer nochmals um sein „letztes Wort“ bittet, bevor er einem Angebot den Zuschlag erteilt. Dieses Ziel ist realistisch. Unrealistisch wäre das Ziel, dass der Einkäufer dem Verkäufer auch dann den Auftrag erteilt, wenn dessen Angebot – egal wie man es betrachtet – nicht das preiswerteste ist. Denn dies würde bedeuten: Der Einkäufer nimmt seinen Job nicht wahr.