Gläubigerschutzverbände erheben und sammeln Daten über Unternehmen und Kreditnehmer, erstellen Analysen, bieten ihren Mitgliedern Wirtschaftsauskünfte und vertreten die Interessen von Gläubigern bei Insolvenzen.
Das Ende kam plötzlich und unerwartet. Am 14. Juli 2020 erstatteten Martin Pucher und Franziska Klikovits, Vorstände der Commerzialbank Mattersburg, überraschend Selbstanzeige. Bis dahin vor allem im Burgenland als erfolgreiche Manager und äußerst großzügige Sponsoren bekannt brachten sie damit einen der größten Bankenskandale der österreichischen Geschichte ans Tageslicht.
Im folgenden Konkursverfahren brachten hunderte Gläubiger Forderungen ein. Alleine die Einlagensicherung, die die Interessen der Sparer mit Guthaben bis zu 100.000 Euro absichert, forderte 488,7 Millionen Euro, zu den Geschädigten gehörten auch 18 gemeinnützige Wohnbaugenossenschaften mit Forderungen über insgesamt 114 Millionen Euro, der Kommunikations-Spezialist Freqentis mit 30,8 Millionen und der Konzertveranstalter Barracuda mit 33 Millionen Euro schweren Forderungen. Sowohl Pucher als auch Klikovits mussten als Folge der Bankenpleite, der jahrelange Bilanzfälschungen zugrunde lagen, Privatkonkurs anmelden und wurden mit Gläubigerforderungen von jeweils über einer Milliarde Euro eingedeckt.
Ob die Gläubiger im zum Kriminalfall ausgearteten Konkurs der Commerzialbank Geld sehen werden ist äußerst fraglich, denn der milliardenschweren Forderung stehen Vermögenswerte von nur rund einer Million Euro gegenüber. Diese bislang drittgrößte Insolvenz der österreichischen Geschichte ist daher noch lange nicht ausgestanden.
Die 5 größten Insolvenzen in Österreich
Rang | Unternehmen | Jahr | Passiva |
---|---|---|---|
1 | ALPINE Bau | 2013 | 3.500 Mio. € |
2 | KONSUM | 1995 | 1.890 Mio. € |
3 | Commerzialbank | 2020 | 800 Mio. € |
4 | Maculan Holding | 1995 | 799 Mio. € |
5 | A-TEC Industries | 2010 | 570 Mio. € |
Gläubigerschutzverbände: Im Namen der Gläubiger
Es wirbelt zum Glück nicht jede Pleite derart viel Staub auf, und groß angelegter Betrug und Bilanzfälschungen sind in Österreich ebenfalls die Ausnahme. In den meisten Fällen zieht eine Insolvenz hierzulande auch keine jahrelangen Verfahren hinterher. "Während die Abwicklung einer Insolvenz international oft Jahre dauert können Verfahren hier viel schneller abgewickelt werden. Die Mindest-Durchlaufzeit von drei Monaten wird zwar selten erreicht, aber in der Regel werden Insolvenzverfahren binnen sechs und neun Monaten erledigt", weiß Karl-Heinz Götze, Leiter der Insolvenzabteilung des Kreditschutzverband KSV1870.
Der KSV ist einer der vier bevorrechteten Gläubigerschutzverbänden Österreichs, die eine besondere Bedeutung bei der Insolvenzvertretung haben, da sie besondere Vorrechte, etwa hinsichtlich des Rechts auf Akteneinsicht und im Vertretungsrecht sowie bei Insolvenzverfahren - sowohl bei einer Unternehmens-Insolvenz als auch bei einem Privatkonkurs genießen. Die vier derart bevorrechteten Gläubigerschutzverbände sind:
Der letztgenannte Insolvenzschutzverband für Arbeitnehmer:innen nimmt dabei eine Sonderstellung ein, da er als gemeinsames Insolvenzbüro der Arbeiterkammer (AK) und des Österreichischen Gewerkschaftsbunds (ÖGB) in Insolvenzverfahren die Interessen von Arbeitnehmern vertritt und Beratung bei der Beantragung von Insolvenz-Entgelt bietet. Der ISA bietet somit Dienstnehmern Unterstützung, wenn die Firma für die sie arbeiten zahlungsunfähig wird.
Wenn ein Geschäftspartner pleitegeht
Während der Corona-Pandemie wurden Unternehmen vielfach großzügig mit staatlichen Unterstützungen subventioniert und die Insolvenzeröffnungszahlen sind in der Folge auf den niedrigsten Stand seit 1990 zurückgegangen. Die zum Ausbruch der Pandemie befürchtete Insolvenzwelle ist ausgeblieben. Doch die betrieblichen und unternehmerischen Schwierigkeiten mancher Unternehmen dadurch wurden lediglich übertüncht und nicht ausgemerzt. Und bereits Ende 2021 zeigte sich, dass sich die Zahl der Firmenpleiten wieder dem Niveau vor Ausbruch der Corona-Pandemie annäherte.
Auch für gesunde Unternehmen steigt dadurch das Risiko, denn wenn ein wichtiger Geschäftspartner zahlungsunfähig wird, hat das auch Folgen für die eigenen Geschäfte und die Liquidität.
Das österreichische Insolvenzrecht ist komplex, und es ist nicht jedermanns Sache, sich damit auseinanderzusetzen. Zumal die Details im normalen Geschäftsleben glücklicherweise selten benötigt werden. Als bevorrechtete Gläubigerschutzverbände stehen der KSV, der AKV und der ÖVC den heimischen Unternehmen hier unterstützend zur Seite. Sie übernehmen für ihre Mitglieder das komplette Forderungsmanagement, kümmern sich als Gläubigervertreter umfassend um die Anmeldung und Betreibung der Forderungen. Bei den abstimmenden Gesprächen mit dem Masse- oder Insolvenzverwalter ebenso wie vor Gericht.
"Im Jahr 2021 waren in Österreich rund 30.000 Gläubiger von Unternehmensinsolvenzen betroffen. Als KSV1870 vertreten wir ihre Interessen bei Gericht und sorgen dafür, dass ihre Ansprüche geltend gemacht werden. So können weitaus höhere Ausfälle vermieden und die Liquidität der Gläubiger nicht noch weiter belastet werden. Damit helfen wir, den österreichischen Wirtschaftskreislauf nachhaltig am Leben zu erhalten", erklärt KSV-CEO Ricardo-Jose Vybiral.
Gläubigerschutzverbände werden jedoch nicht erst im Falle einer Insolvenz, sondern schon weitaus früher aktiv. Eine weitere wichtige Funktion die sie ausüben ist das Risikomanagement. Etwa, wenn es für Betriebe darum geht, die richtigen Geschäftspartner zu finden, um das eigene Business anzukurbeln. Mit Bonitätsprüfungen liefern die Verbände Informationen für das unternehmerische Wachstum und helfen, offene Rechnungen doch noch einbringlich zu machen. Sie betreiben effektives Risikomanagement von Beginn an - etwa mit Inkasso-Management - und nicht erst, wenn es fast schon zu spät ist. Vybiral: "Wenn der Hut brennt, Forderungen offenbleiben und der Kontostand den roten Zahlen immer näher rückt, ist es höchste Zeit für ein professionelles Forderungsmanagement. In solch einer Situation gilt es, offene Beträge unverzüglich zu inkassieren, um den finanziellen Verlust möglichst gering zu halten und das eigene Unternehmen vor Liquiditätsproblemen zu bewahren."
Finanzierung der Gläubigerschutzverbände
Als registrierte Vereine finanzieren sich die Gläubigerschutzverbände zum Teil aus Mitgliedsbeiträgen. Der Löwenanteil ihrer Einnahmen stammt jedoch aus den klar festgelegten Sätzen, die sie für ihre Leistungen bei der Abwicklung von Insolvenzen einnehmen. So haben die bevorrechteten Gläubigerschutzverbände für ihre Tätigkeit zur Unterstützung des Gerichts sowie für die Vorbereitung eines Sanierungsplans, respektive für die Ermittlung und Sicherung des Vermögens zum Vorteil aller Gläubiger einen "Anspruch auf Belohnung" zuzüglich Umsatzsteuer.
Dieser Anspruch liegt in der Regel für alle an einem Verfahren teilnehmenden bevorrechteten Gläubigerschutzverbände gemeinsam bei:
10% der Nettoentlohnungdes Masse- oder Insolvenzverwalters, wenn es zu einer Verteilung an die Insolvenzgläubiger oder zu einer Aufhebung des Insolvenzverfahrens mit Einverständnis der Gläubiger kommt, bzw.
15% der Nettoentlohnung bei Annahme eines Sanierungsplans.
Auch die Aufteilung der Belohnungen ist fix festgeschrieben. 30 Prozent werden unter den teilnehmenden Verbänden gleichmäßig aufgeteilt, die restlichen 70 Prozent nach Anzahl der vom jeweiligen Gläubigerschutzverband vertretenen Gläubiger.
Take Aways
Gläubigerschutzverbände sammeln Daten zur Bonität und Kreditwürdigkeit von Unternehmen und Privatpersonen.
Sie betreiben aktives Inkasso- und Forderungsmanagement für ihre Kunden.
Sie vertreten Gläubiger im Falle von Unternehmensinsolvenzen bei Verhandlungen vor Gericht.
Mit Bonitätsauskünften und Analysen sind Gläubigerschutzverbände ein kompetenter Partner der Wirtschaft.